Totalrevision der Mehrwertsteuer

Bern, 15.02.2006 - Das Mehrwertsteuergesetz soll einer Totalrevision unterzogen werden. Das Eidgenössische Finanzdepartement erarbeitet zurzeit eine Vernehmlassungsvorlage, die in Richtung einer sogenannten idealen Mehrwertsteuer gehen soll. Der Bundesrat hat an seiner heutigen Sitzung von diesem Vorhaben Kenntnis genommen.

Der Bericht des Bundesrates über 10 Jahre Mehrwertsteuer vom 26. Januar 2005 hat deutlich gemacht, dass die Mehrwertsteuer auf verschiedenen Ebenen erhebliches Verbesserungspotential aufweist. Neben der Kritik an der gesetzgeberischen Ausgestaltung der Mehrwertsteuer werden auch die Handhabung durch die Eidg. Steuerverwaltung ESTV sowie konkrete Vollzugshandlungen kritisiert. Bei den konkreten Verbesserungen ist daher zu unterscheiden zwischen Verbesserungen der Praxis der ESTV einerseits und Änderungen am Mehrwertsteuergesetz anderseits. Mit Blick auf die Handhabung hat die ESTV im Sinne von Sofortmassnahmen bereits 2005 ein Massnahmenpaket umgesetzt; weitere Massnahmen sollen folgen (vgl. separate Medienmitteilung).

Das Mehrwertsteuergesetz leidet insbesondere an folgenden Mängeln:

  • Das Mehrwertsteuergesetz (MWSTG) ist zu kompliziert, da es viele Ausnahmen von der Steuer sowie drei verschiedene Sätze enthält.
  • Die Gesetzesstruktur ist unübersichtlich und schwer lesbar.
  • Die Steuerbefreiungen führen zu komplexen Vorsteuerkürzungen.
  • Das geltende MWSTG belastet gewisse Teile der Wirtschaft noch immer mit einer Schattensteuer (taxe occulte). Das heisst, an Stelle des inländischen Konsums werden die Unternehmen mit Steuern auf Vorleistungen und Investitionen belastet. Dies behindert das Wachstumspotenzial unserer Volkswirtschaft.
  • Der Steuerpflichtige trägt eine hohe Eigenverantwortung, da er die Mehrwertsteuer selber veranlagen muss, und ein hohes (finanzielles) Risiko aufgrund der fehlenden formellen Rechtskraft und der langen Verjährungsfristen.
  • Der reduzierte Mehrwertsteuersatz zeitigt eine hohe Giesskannen-Wirkung. Für jeden Franken, um den man die Steuerlast der untersten Einkommensklassen bei Käufen von Lebensmitteln und alkoholfreien Getränken verringert, senkt man gleichzeitig die Steuerlast der obersten Einkommensklasse um gut 2 Franken.

Vor diesem Hintergrund arbeitet das Eidgenössische Finanzdepartement zurzeit eine Vernehmlassungsvorlage zur Totalrevision des MWSTG aus. Die Vorlage soll dabei in Richtung einer "idealen Mehrwertsteuer" gehen.

Nur im Rahmen einer umfassenden Revision und Neugestaltung des Mehrwertsteuerrechts können alle Probleme gesamthaft angegangen und eine optimale Lösung gefunden werden. Dies ist die wesentliche Erkenntnis der bisherigen Arbeiten an der Reform. Auch die Systematik des Gesetzes kann nur mittels einer grundlegenden Reform verbessert werden. Wegen der Wechselwirkungen innerhalb des Gesetzes ist eine Teilrevision kein gangbarer Weg. Mit der Zielsetzung der "idealen Mehrwertsteuer" können die Hauptschwächen des heutigen Gesetzes, wie zum Beispiel die Abgrenzungsschwierigkeiten aufgrund der vielen Ausnahmen und verschiedenen Steuersätze und die teilweise hohe Belastung der Steuerpflichtigen mit der taxe occulte, durch einen Einheitssatz und die Aufhebung der Ausnahmen weitgehend behoben werden. Die taxe occulte soll abgebaut werden. Eine vereinfachte und systematische Mehrwertsteuer dürfte sodann zu tieferen Entrichtungskosten  für die Steuerpflichtigen als auch zu geringerem Erhebungsaufwand für die Verwaltung führen. 

Die Vorlage sieht weitere partielle Gesetzesänderungen vor, insbesondere die Erhöhung der Mindestumsatzgrenze und die Ausdehnung der Saldosteuersatzmethode. Diese Massnahmen zielen auf eine wesentliche Vereinfachung gerade für die KMU ab.

Das Projekt wird somit von gezielten Massnahmen hin zu einer Totalrevision des Gesetzes ausgedehnt. Dies bedarf mehr Zeit und eine andere Arbeitsorganisation als ursprünglich vorgesehen. Der von Bundesrat Hans-Rudolf Merz als Beauftragter für die Mehrwertsteuerreform ernannte Steuerexperte Peter Spori begleitet alle Arbeiten im Zusammenhang mit diesem Projekt. Zu diesem Zweck hat Spori eine Arbeitsgruppe gebildet, welcher neben den Experten der ESTV namhafte Mehrwertsteuerexperten[1] angehören. Die Arbeitsgruppe hat im Dezember 2005 erstmals getagt. Dabei hat sie eine Auslegeordnung der anzugehenden Probleme erstellt und erste Lösungsvorschläge formuliert. Es wurden zusammen mit der ESTV 14 Subgruppen formiert, in welchen ausgewählte Reformfragen vertieft und umfassend geklärt werden können.

Erst wenn diese Arbeiten abgeschlossen sind, kann überhaupt der Einheitssatz berechnet sowie die Auswirkungen auf die Privathaushalte, die Steuerpflichtigen, den administrativen Aufwand und die öffentliche Hand erhoben werden.

Die Ergebnisse dieser Arbeiten werden noch vor den Sommerferien in einen Schlussbericht zuhanden von Bundesrat Merz münden. Dieser Schlussbericht bildet auch die Grundlage für die Vernehmlassungsvorlage, so dass der Bundesrat noch im laufenden Jahr das Vernehmlassungsverfahren zur Totalrevision des Mehrwertsteuergesetzes eröffnen kann.

 

[1] Mitglieder der Arbeitsgruppe Spori sind: Dr. Ivo P. Baumgartner, Fürsprecher Diego Clavadetscher, Dr. Pascal Gentinetta, Dr. Pierre-Marie Glauser, Dr. Phillip Robinson, Rudolf Schumacher, Jakob Signer, Marco Taddei, Prof. Dr. Klaus Vallender; als Of-Counsel Prof. Dr. Peter Böckli


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