Bundesrat für einfache Mehrwertsteuer mit Einheitssatz und wenig Ausnahmen

Bern, 17.01.2008 - Die Mehrwertsteuer (MWST) soll vereinfacht werden und mehr Rechtssicherheit und Kundenorientierung bieten. Diese vom Bundesrat verfolgte Stossrichtung ist in der im Februar 2007 eröffneten Vernehmlassung auf breite Zustimmung gestossen. Der Bundesrat hat gestern von den Ergebnissen der Vernehmlassung Kenntnis genommen und das EFD beauftragt, eine Botschaft zur MWST-Reform auszuarbeiten. Diese soll einen einheitlichen Steuersatz von 6,1 Prozent beinhalten und möglichst viele Steuerausnahmen, namentlich auch diejenigen im Gesundheits- und Sozialwesen, abschaffen. Das Fundament der Vorlage bildet das vollständig überarbeitete MWST-Gesetz mit über 50 Massnahmen. Neben Erleichterungen für Unternehmen bringt die Reform eine Stärkung des Wirtschaftsstandortes Schweiz sowie mehr Wachstum.

Der Bundesrat hatte die sechsmonatige Vernehmlassung zu einem total revidierten Mehrwertsteuergesetz am 15. Februar 2007 eröffnet. Grundlage bildete das Modul "Steuergesetz" mit über 50 Gesetzesänderungen. Im Modul "Einheitssatz" war zusätzlich ein einheitlicher Steuersatz von 6 Prozent sowie die Abschaffung von über 20 der heute bestehenden 25 Steuerausnahmen vorgesehen (in einer Untervariante wurde zudem die Beibehaltung der Ausnahme im Gesundheitswesen vorgeschlagen). Im Modul "2 Sätze" wurden der Normalsatz von 7,6 Prozent beibehalten und die aufgehobenen Steuerausnahmen einem reduzierten Satz von 3,4 Prozent unterstellt.

In der Vernehmlassung gingen über 530 Stellungnahmen ein, 111 davon von eingeladenen Teilnehmern. Nahezu alle Vernehmlassenden bejahen den Reformbedarf bei der MWST und ziehen eine Totalrevision des Gesetzes einer Teilrevision vor. Die Vereinfachungen, welche die Reformvorlage beinhaltet, werden grundsätzlich als gute Grundlage für die administrative Entlastung der Unternehmen und für eine grössere Rechtssicherheit erachtet.

Die Umsetzung des Moduls "Steuergesetz" wird als wichtig, richtig und vordringlich erachtet. Dennoch brachten Vernehmlassende zu den einzelnen Bestimmungen zahlreiche Änderungswünsche vor. Namhafte Vernehmlassende aus der Wirtschaft, die FDP und einige Kantone fordern noch weitergehende Vereinfachungen und Entlastungen für die steuerpflichtigen Unternehmen. Das Modul "Einheitssatz" wird von weiten Teilen der Wirtschaft und von wirtschaftsnahen Kreisen klar befürwortet, weil nur dieses eine konsequente Vereinfachung der Mehrwertsteuer bewirke. Mehrheitlich auf Ablehnung stösst die Aufhebung der Steuerausnahmen jedoch bei den Branchen, die davon direkt betroffen sind (Gesundheit, Soziales, Sport, Kultur und Bildung). Das Modul "2 Sätze" findet kaum Unterstützung und wird deshalb nicht mehr weiterverfolgt.

Teil I: Gesetzesrevision mit über 50 Massnahmen

Der Bundesrat hat gestern beschlossen, dem Parlament eine Botschaft mit zwei voneinander unabhängigen Teilen zu unterbreiten. Sie soll im Sommer 2008 vorliegen. Das Fundament der Steuerreform bildet ein erster Teil mit einem vollständig überarbeiteten MWST-Gesetz. Dieses zeichnet sich durch eine einfachere Systematik und inhaltliche Revisionen in über 50 Punkten aus. Vereinfachungen entstehen unter anderem durch die Vereinheitlichung der Mindestumsatzgrenze für die MWST-Pflicht und den Wegfall der Besteuerung des baugewerblichen Eigenverbrauchs. Erleichterungen entstehen aber auch durch die Ausweitung der Saldosteuersatzmethode, die eine vereinfachte Steuerabrechnung ermöglicht, oder durch die Lockerung der formalen Vorschriften bei Belegen. Mehr Rechtssicherheit wird unter anderem durch die abschliessende Wirkung von Steuerkontrollen, den Anspruch auf rechtsverbindliche Auskünfte der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) und die Verkürzung der Verjährungsfrist auf zehn Jahre erreicht. Eine grössere Kundenorientierung zeigt sich unter anderem in der Festschreibung des Rechts des Steuerpflichtigen auf Durchführung einer Kontrolle oder die Erweiterung der Erlassmöglichkeiten bei der Inlandsteuer. Damit wird das vollständig überarbeitete MWST-Gesetz wesentlich zum Abbau des oft gerügten Formalismus der Steuerbehörden beitragen.

Der in die Vernehmlassung gegebene Gesetzesentwurf wird in dieser Hinsicht nochmals deutlich überarbeitet, um einzelne Anliegen und Forderungen der betroffenen Kreise noch besser zu berücksichtigen. Die heute gültigen Steuersätze und Ausnahmen bleiben in diesem Teil der Botschaft bestehen.

Teil II: Einheitssatz von 6,1 Prozent und Aufhebung von Ausnahmen

Im zweiten Teil der Botschaft schlägt der Bundesrat die Einführung eines Einheitssatzes von 6,1 Prozent und die Abschaffung von möglichst vielen Steuerausnahmen vor, was die MWST noch konsequenter vereinfacht. Da aufwendige und komplexe Abgrenzungsprobleme wegfallen, wird ein Höchstmass an Vereinfachung erreicht. So besteht heute zum Beispiel bei einem Aerobic-Kurs eine Steuerpflicht, nicht aber bei einem Skikurs. Ausnahmen bleiben dort bestehen, wo der administrative Aufwand für die Erhebung in keinem Verhältnis zum Steuerertrag steht (Landwirtschaft) oder dort, wo es technisch schwierig oder gar unmöglich ist, die Steuerbemessungsgrundlage zu bestimmen (Finanz- und Versicherungs­dienstleistungen).

Wegweisend ist der Beschluss des Bundesrates, die Ausnahmen im Gesundheits- und Sozialbereich aufzuheben. Die schädliche, strukturverzerrende taxe occulte ist hier ausserordentlich hoch. In diesen Branchen bestehen zudem zahlreiche Abgrenzungsprobleme, so zum Beispiel zwischen ausgenommener Krankenpflege und steuerbarer Haushilfe oder zwischen ausgenommener Geburtshilfe und steuerbarer Mütterberatung. Medizinische Gutachten müssen je nach Verwendungszweck einmal mit und einmal ohne Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt werden. Bereits heute sind über 2'000 Spitäler und Arztpraxen steuerpflichtig. Die Vorteile der Aufhebung dieser Ausnahmen überwiegen die Nachteile, die sich insbesondere in einem zu erwartenden einmaligen Teuerungsschub bei den Krankenkassenprämien von rund 2,5% äussern. Die durch den Abbau der taxe occulte resultierenden Effizienzgewinne werden ausserdem tendenziell eine bremsende Wirkung auf den Prämienanstieg haben.

Für gemeinnützige Institutionen und für ehrenamtlich geführte Vereine und einfache Gesellschaften, die weder einen wirtschaftlichen Zweck verfolgen noch der Buchführungspflicht gemäss dem Obligationenrecht unterstehen, ist eine erhöhte Umsatzgrenze von mindestens 250'000 Franken für die Steuerpflicht vorgesehen. Im Bereich des Sports dürfte dadurch die Zahl der steuerpflichtigen Vereine trotz Aufhebung der Ausnahmen gegenüber heute praktisch gleich bleiben. Diese Massnahme verhindert, dass die wichtige Freiwilligenarbeit erschwert wird, indem sich ehrenamtlich tätige Vorstandsmitglieder mit Mehrwertsteuerfragen befassen müssen.

Finanzielle Auswirkungen auf die öffentliche Hand

Der erste Teil der Botschaft kann beim Bund mit Mindereinnahmen von ungefähr 80 bis 130 Millionen Franken bei gegenwärtig rund 19 Milliarden Franken Steuereinnahmen als praktisch ertragsneutral bezeichnet werden. Auch die Finanzen der Kantone und Gemeinden bleiben davon unberührt.

Auch die Aufhebung eines Grossteils der Ausnahmen und die Einführung eines Einheitssatzes (zweiter Teil der Botschaft) sollen haushaltsneutral erfolgen. Damit die Mehrbelastung durch die Aufhebung von Ausnahmen bei den einkommensschwächsten 40 Prozent der Haushalte vollständig kompensiert werden kann, soll der Bundesbeitrag an die individuelle Prämienverbilligung im Krankenversicherungsbereich um den Betrag der Mehrbelastung erhöht werden. Hierzu muss der haushaltsneutrale Steuersatz von 6 Prozent um 0,1 Prozentpunkt angehoben werden und kommt auf 6,1 Prozent zu stehen. Diese Massnahme ist zielgerichtet und schlank administrierbar.

Die Neuunterstellung von Unternehmen unter die Mehrwertsteuerpflicht ist verbunden mit der Entstehung neuer Ansprüche auf Vorsteuerabzug (Einlageentsteuerung). Das führt zu einem einmaligen ausserordentlichen Zahlungsbedarf in der Höhe von maximal 1,7 Milliarden Franken. Diese ausserordentliche Ausgabe wird durch den Bundeshaushalt getragen. Sie wird durch die langfristig zu erwartenden Wachstumseffekte der Reform kompensiert.

Nicht in Frage kommt für den Bundesrat der Verzicht auf die in der Vernehmlassung geforderte Vorsteuerabzugskürzung bei Subventionen und Spenden. Die Gewährung des vollen Vorsteuerabzugs käme einer Subventionserhöhung gleich. Die damit verbundenen jährlich wiederkehrenden Ausfälle von 800 Millionen bis 1,3 Milliarden Franken wären für den Bundeshaushalt nicht verkraftbar. Sofern mit den Kantonen als grossen Gewinnern eines solchen Systemwechsels aber eine Einigung über die Kompensation der Steuerausfälle des Bundes erzielt werden kann (beispielsweise durch die Senkung des Subventionsniveaus), könnte ein Systemwechsel angestrebt werden.

Auswirkungen auf die privaten Haushalte

Auf die Entwicklung der real verfügbaren Einkommen der Haushalte hat die Einführung des Einheitssatzes langfristig positive Auswirkungen. Es ist mit einem zusätzlichen Wachstum von 0,1 bis 0,7 Prozent zu rechnen.[1] Für alle Haushalte entspricht dies einer Zunahme von bis 2,2 Milliarden Franken des verfügbaren Einkommens. Pro Haushalt ergibt sich ein Einkommenszuwachs zwischen 100 und 700 Franken pro Jahr. Dem stehen pro Haushalt kurzfristig jährliche Zusatzbelastungen von durchschnittlich 75 Franken gegenüber. Pro Monat machen diese Zusatzbelastungen im Schnitt für jeden Haushalt lediglich 6.30 Franken aus, was 0,07 Prozent des monatlichen Bruttoeinkommens entspricht. Der langfristige Wachstumseffekt des Einheitssatzes übersteigt damit die kurzfristige Mehrbelastung.

Vor allem Familien mit Kindern und Rentnerhaushalte haben bei der Einführung des Einheitssatzes eine leichte Erhöhung der MWST-Last zu erwarten. Die Mehrbelastung der einkommensschwächsten 40 Prozent der Haushalte wird aber bereits von Anfang an durch die Aufstockung der Verbilligung der Krankenkassenprämien ausgeglichen. Positiv wirkt sich die Reform hingegen auf die Einpersonen-Haushalte (ohne Rentner) aus. Generell steigt zwar der Steuersatz für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke - welche allerdings heute weniger als 8 Prozent der Ausgaben eines durchschnittlichen Haushalts ausmachen - sowie für Leistungen aus den Bereichen Kultur, Sport, Bildung, Beherbergung und dem Gesundheitswesen. Dafür profitieren die Konsumenten in anderen, weit zahlreicheren Bereichen von einer tieferen Steuerbelastung, so zum Beispiel beim öffentlichen Verkehr, beim Kauf von Unterhaltungselektronik, Autos, Möbeln, Kleidern oder bei der Konsumation im Restaurant.

Massive Kostensenkung für die Wirtschaft

Je einfacher die MWST ausgestaltet ist, desto günstiger wirkt sich dies auf die rund 312'000 steuerpflichtigen Unternehmen und damit die Volkswirtschaft aus. Durch den kleineren administrativen Aufwand dank Vereinfachungen bei der Abrechnung und besserer Unterstützung durch die MWST-Verwaltung sowie mehr Rechtssicherheit können die Unternehmen hohe Kosten sparen. Mit der Einführung des Einheitssatzes erhöht sich diese Rechtssicherheit, da Abgrenzungsprobleme wegfallen. Zusammen mit dem Einheitssatz führt die Streichung von Ausnahmen zudem zu einer beträchtlichen Verminderung der Schattensteuer (Taxe occulte), welche die Unternehmen unerwünscht belastet. Diese können dadurch effizienter produzieren und Dienstleistungen anbieten, wovon auch die Konsumenten dank höherer Kaufkraft profitieren. Auf der anderen Seite führt die Aufhebung von Ausnahmen dazu, dass zusätzliche Betriebe steuerpflichtig werden. Es handelt sich um maximal 30'000 Unternehmen, wovon der grosse Teil im Gesundheitssektor tätig ist.

Eine im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO durchgeführte Studie[2] zeigt, dass mit dem Einheitssatz die durch die Mehrwertsteuer verursachten administrativen Kosten der Wirtschaft insgesamt um über 20 Prozent reduziert werden könnten. Für die heute bereits steuerpflichtigen Unternehmen ergibt sich gar eine Reduktion von rund 30 Prozent. Laut dem Gutachten des Ökonomen Frank Bodmer[3] lösen die Einführung eines MWST-Einheitssatzes und der Abbau der Ausnahmen langfristig ein zusätzliches Wachstum des Bruttoinlandproduktes (BIP) von 0,3 bis 0,8 Prozent aus. Dank dieser Reform liegt das BIP also um bis zu 3,8 Milliarden Franken höher als ohne Reform.

Verbesserungen seit der Einführung der MWST

Die MWST wurde in der Schweiz 1995 eingeführt. Seither hat sich die Steuer als wichtigste Einnahmequelle des Bundes etabliert: Mit 19 Milliarden Franken steuerte sie 2006 gut ein Drittel der Bundeseinnahmen bei. Der Bericht des Bundesrates "10 Jahre Mehrwertsteuer" von Anfang 2005 zeigte aber, dass die MWST auf verschiedenen Ebenen erhebliches Verbesserungspotenzial aufweist. Nebst der Kritik an der gesetzgeberischen Ausgestaltung der MWST wurden auch die Handhabung durch die ESTV sowie konkrete Vollzugshandlungen kritisiert.

Die in der Vernehmlassung präsentierte Revision des MWST-Gesetzes ist die dritte Etappe in einem umfassenden Programm des Bundesrates zur Verbesserung und Vereinfachung der MWST. In einem ersten Schritt setzte die ESTV bereits 2005 zahlreiche Praxisänderungen um. Auf den 1. Juli 2006 setzte der Bundesrat in einem zweiten Schritt die geänderte Verordnung zum MWST-Gesetz in Kraft. Damit wurde insbesondere erreicht, dass aus rein formellen Gründen keine Steueraufrechnungen mehr erfolgen, sofern dem Bund keine Steuer entgangen ist. Diese Verordnungsänderung wurde im Oktober 2006 in einer ausführlichen Praxismitteilung der MWST-Verwaltung konkretisiert.

[1] Frank Bodmer, Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der MWST und einiger Reformszenarien, Schlussbericht vom 27. April 2007.

[2] Rambøll Management GmbH, Messung der Bürokratiekosten der Mehrwertsteuer-Gesetzgebung auf Basis des Standard-Kosten-Modells, September 2007.

[3] Frank Bodmer, Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der MWST und einiger Reformszenarien, Schlussbericht vom 27. April 2007.


Adresse für Rückfragen

Claudio Fischer, Projektleiter MWST-Reform, Eidg. Steuerverwaltung, Tel. 031 325 84 20



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