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DiscorsiPubblicato il 14 novembre 2024

Wie kommt der Bund aus der finanziellen Schieflage?

Herbsttagung der SGVW vom 14.11.2024

Geschätzter Herr Präsident

Geschätzte Damen und Herren

«Bereits zum elften Mal seit Einführung der harten Sparmaßnahmen sollen landesweite Streiks [das Land] lahmlegen. Die Regierung hofft derweil auf das Entgegenkommen der Kreditgeber bei der Schuldenrückzahlung.»

Es geht – Sie ahnen es – nicht um die Schweiz. Man konnte diese Zeilen auf einem deutschen Newsportal lesen. Nur die Nennung des Landes habe ich weggelassen.

Die Aussagen sind auch schon etwas älter. Sie stammen aus dem Jahr 2011 – und sie betrafen Griechenland.

Ich möchte so etwas nie über die Schweiz lesen müssen! Das treibt mich an, als Finanzministerin, aber auch als Bundesrätin.

Und genau darum hat der Bundesrat anfangs Jahr entschieden, eine umfassende Aufgaben- und Subventionsüberprüfung durchzuführen – und erarbeitet jetzt ein Entlastungspaket, das den Bundeshaushalt ab 2027 um 3,5 Milliarden Franken entlasten soll.

Wir sind damit sehr weit von einer Austeritätspolitik entfernt, wie sie Griechenland damals erlebt hatte. Es gibt bei uns keine «harten Sparmassnahmen» und der Bundesrat sieht vor allem auch keine Kürzungen bei individuellen Leistungen der sozialen Wohlfahrt vor.

Es ist weit weniger dramatisch: Wir senken das Ausgabenwachstum von 3 Prozent auf 2 Prozent pro Jahr. Oder anders gesagt: Die ordentlichen Ausgaben des Bundes sollen von rund 80 Milliarden im letzten Jahr nicht auf 94 Milliarden im Jahr 2027 steigen, sondern «nur» auf 91 Milliarden Franken.

Wir sind in der komfortablen Lage, dass wir uns dieses Ausgabenwachstum weiterhin leisten können – weil wir vergleichsweise tiefe Schulden haben und weil wir dank dem positiven Wirtschaftsverlauf kein Problem auf der Einnahmenseite haben.

Ich erwähne hier nur die Gewinnsteuer auf Bundesebene. Ihre Erträge haben sich von rund 5 Milliarden vor 20 Jahren auf rund 15 Milliarden verdreifacht. Die Wachstumsrate war deutlich höher als jene des Bruttoinlandprodukts.

Es ist natürlich so: In manchen Bereichen werden die Ausgaben in den nächsten Jahren nicht mehr gleich stark wachsen können wie in anderen, manche Bereiche werden weniger Bundessubventionen erhalten als bisher.

Das passiert, wenn man sich fragt, ob gewisse Subventionen wirklich das effizienteste Mittel sind, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Wenn man Prioritäten setzt.

Und das ist auch gewollt. Das Entlastungspaket soll unter anderem die Basis schaffen, damit der Bund insbesondere die steigenden Kosten der militärischen und der sozialen Sicherheit finanzieren kann.

Das sind zwei Kernaufgaben eines Staates. Und die Herausforderungen in beiden Bereichen werden bekanntlich nicht kleiner.

Nehmen Sie die AHV: Die 13. AHV-Rente wird ab 2026 ausbezahlt. So hat es die Stimmbevölkerung entschieden und daran gibt es nichts zu rütteln. Aber sie muss auch finanziert werden. Sterntaler gibt es nur in Grimms Märchen.

Im Moment müssen wir davon ausgehen, dass die 13. Rente das strukturelle Defizit des Bundes in den kommenden Jahren gegenüber der bisherigen Finanzplanung nochmals um 900 Millionen vergrössert.

Hinzu kommt die demografische Entwicklung, die die Kosten der AHV nicht nur für die AHV selber, sondern auch für den Bund laufend weiter erhöhen wird.

Ich erwähne auch die Mitte-Initiative, die den Plafonds der AHV-Renten für Ehepaare aufheben will. Allein diese Initiative hat ein Preisschild von gegen 4 Milliarden Franken – ohne dass sie sagt, wer diesen Preis bezahlen soll. Und jemand wird ihn bezahlen müssen.

Ich schliesse hier die Klammer zur AHV.

Wir justieren also mit der Aufgaben- und Subventionsüberprüfung die Prioritäten etwas neu und konzentrieren uns etwas stärker auf die Kernaufgaben des Bundes. Das wurde zuletzt vor 20 Jahren gemacht.

Serge Gaillard ist ja auch hier und wird später vielleicht noch etwas dazu sagen, nach welcher Systematik die Expertengruppe die Aufgaben und Subventionen des Bundes überprüft hat.

Geschätzte Damen und Herren

Ich habe mich in den letzten Monaten ein paar Mal gefragt: Würden wir diese Übung auch machen, wenn wir keine Schuldenbremse hätten? Wenn die Stimmbevölkerung uns vor gut 20 Jahren nicht den Auftrag in der Bundesverfassung erteilt hätte, dass der Bund die Ausgaben und die Einnahmen auf Dauer im Gleichgewicht halten muss?

Mir gefällt persönlich ja der Gedanke, dass es die Schuldenbremse gar nicht bräuchte. Dass die Politik kein Korsett braucht, um etwas finanzpolitische Disziplin an den Tag zu legen.

Aber das wäre naiv. Die Erfahrung spricht dagegen. Schauen Sie sich in der Welt um! Es genügt ein Blick über unsere westliche Landesgrenze, aber auch ein Blick zurück in der Schweiz. Und darum hilft die Schuldenbremse natürlich bei der politischen Umsetzung eines Entlastungspakets.

Vielleicht entfaltet ja allein schon die Aussicht auf das Entlastungspaket eine gewisse präventive Wirkung. Wir werden es im Dezember sehen, wenn das Parlament den Voranschlag 2025 und den Finanzplan 2026-2028 berät.

Man sollte eine Politik aber nie als alternativlos darstellen. Und es gibt ja klassischerweise zwei Einwände gegen eine hauptsächlich ausgabenseitige Bereinigung des Bundeshaushaltes, wie sie der Bundesrat nun mit dem Entlastungspaket anstrebt: Der erste Einwand lautet: Man könnte die Einnahmen erhöhen – und der zweite: Man könnte mehr Schulden machen.

Zum ersten Punkt. Tatsächlich sagt die Schuldenbremse nichts darüber aus, wie die Ausgaben- und Einnahmenseite ins Gleichgewicht gebracht werden soll. Sie liesse es also auch zu, die Einnahmen zu erhöhen.

Aus Sicht des Bundesrats wäre dies aber der falsche Weg. Bevölkerung und Wirtschaft werden bereits um mehrere Milliarden zusätzlich belastet:

Dieses Jahr haben wir die Mehrwertsteuer um 0,4 Prozentpunkte zugunsten der AHV erhöht. Das sind derzeit über eine Milliarde Franken. Eine Erhöhung um 0,7 Prozentpunkte, wie sie der Bundesrat zur Finanzierung der 13. AHV-Rente vorschlägt, macht ab 2026 nochmals 1,9 Milliarden.

Dazu kommt die OECD-Mindestbesteuerung, die der Bundesrat auch in der Schweiz eingeführt hat, um zu verhindern, dass diese Steuererträge vom Ausland abgeschöpft werden. International tätige grosse Konzerne in der Schweiz werden mit dieser Mindestbesteuerung ab dem nächsten Jahr um bis zu 3,5 Milliarden pro Jahr zusätzlich belastet.

Es werden zur nachhaltigen Finanzierung der AHV – diese Prognose wage ich – noch weitere Erhöhungen der Mehrwertsteuer oder auch der Lohnbeiträge folgen müssen. Der Bundesrat schlägt zudem vor, dass man die steuerliche Begünstigung der Hotellerie mit dem Mehrwertsteuer-Sondersatz nach sechsmaliger Verlängerung nun auslaufen lässt. Daraus würden sich zusätzliche Mehreinnahmen für den Bund in der Höhe von gegen 300 Millionen Franken ergeben.

Die Liste ist noch nicht fertig. Aber wir reden hier von steuerlichen Mehrbelastungen, die im Jahr 2027 mit über 7 Milliarden Franken das Volumen des Entlastungspakets um das Doppelte übersteigen.

Der Bundesrat findet, das ist genug.

Zum zweiten Einwand. Wir könnten ja auch die Schuldenbremse wieder etwas lockern! Immerhin hat die Schweiz international so tiefe Schulden wie kaum ein anderer Staat!

Ich hätte vielleicht ein bisschen mehr Verständnis für diese Forderung, wenn wir uns in einer Notlage, in einer schweren Rezession befänden. Aber mitten in einer Konjunkturphase mit Vollbeschäftigung? Und obwohl sich diese Schuldenbremse über 20 Jahre lang bestens bewährt hat?

Obwohl sich keine einzige Befürchtung, die damals im Parlament und im Abstimmungskampf geäussert wurde, je bewahrheitet hätte?

Obwohl also die Investitionen entgegen der Befürchtungen weiter gestiegen sind und das Parlament eben nicht entmachtet wurde?

Obwohl die Schweiz dank und mit der Schuldenbremse die Corona-Krise so gut meistern konnte wie kaum ein zweites Land?

Obwohl wir eine der besten Infrastrukturen der Welt haben? Eines der besten Bildungssysteme? Und eines der kaufkräftigsten Länder sind?

Nur, weil wir nicht die politische Kraft haben, die Prioritäten etwas neu zu setzen, das Ausgabenwachstum ein wenig zu drosseln und dabei halt dem einen oder der anderen etwas auf die Füsse treten zu müssen?

Geschätzte Damen und Herren

Ich komme zum Schluss und damit auf Griechenland zurück. Das Beispiel hilft zur Illustration zweier weiterer Punkte. Das Zitat, mit dem ich begonnen habe, hatte ja noch einen zweiten Teil:

«Die Regierung hofft derweil auf das Entgegenkommen der Kreditgeber bei der Schuldenrückzahlung.»

Griechenland hatte Kreditgeber. Sehr grosszügige Kreditgeber. Fast 300 Milliarden Euro an öffentlichen Krediten erhielt Griechenland von 2010 bis 2018. Nur rund 30 Milliarden stammte vom Internationalen Währungsfonds, dem auch die Schweiz angehört. Der Rest stammte von der EU.

Wie wir wissen, gehört die Schweiz der EU nicht an – und das dürfte auch so bleiben. Sie wird sich also immer selber helfen müssen, wenn sie souverän bleiben möchte. Eine solide, gesunde Finanzpolitik stärkt darum auch unsere Souveränität.

Das ist der erste Punkt.

Zweitens: Finanzpolitik ist kein Selbstzweck. Sie ist auch kein buchhalterischer Schönheitswettbewerb. Finanzpolitik ist immer nur Mittel zum Zweck. Sie ist die Basis dafür, dass ein Staat seine Aufgaben überhaupt erfüllen kann.

Dass seine Institutionen funktionieren. Dass er gerade auch in einer Krise handlungsfähig bleibt. Dass auch den künftigen Generationen, Ihren und meinen Nachkommen, ein Handlungsspielraum verbleibt.

Wenn die staatlichen Finanzen aus dem Gleichgewicht geraten und die Schuldenspirale zu drehen beginnt, können die gesellschaftlichen und politischen Verwerfungen katastrophal sein.

Griechenland zeigt das, die Geschichte zeigt das. Professor Tobias Straumann wird dazu nachher sicher Ausführungen machen können.

Ich habe es erwähnt: Ich erachte es als eine der wichtigsten Aufgaben der Landesregierung, zu verhindern, dass es überhaupt so weit kommen kann.

Eine solide Finanzpolitik sichert letztlich nichts weniger als die Wohlfahrt der Bevölkerung und damit den sozialen Frieden. Es ist eine Binsenwahrheit: Nur ein finanziell gesunder Staat ist ein sozialer Staat.

Finanzpolitik ist natürlich auch nicht alles und ohne solide Finanzpolitik ist alles nichts. Damit sie solide sein kann, muss sie flankiert sein von einer guten Wirtschafts- und Sozialpolitik, und – mit Blick auf unsere natürlichen Lebensgrundlagen – auch von einer guten Energie- und Umweltpolitik.

Gut bedeutet aber nicht einfach mehr. Gut bedeutet vor allem effizient und effektiv. Wenn wir das in Zukunft wieder etwas mehr beherzigen, dann kommt der Bund auch aus seiner finanziellen Schieflage.

Dass man dafür als Finanzministerin eine etwas dickeres Fell braucht, versteht sich von selbst. In diesem Sinne freue ich mich auf Ihre kritischen Fragen und danke Ihnen herzlich für die Aufmerksamkeit.

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