Die Schweiz hat die OECD-Mindeststeuer per 1. Januar 2024 eingeführt. Welche Auswirkungen hat die weitere Umsetzung der Mindestbesteuerung auf die Verfassung, das Steuersystem, den Bundeshaushalt und die betroffenen Unternehmen?
Das Wichtigste in Kürze
Die Umsetzung der Mindestbesteuerung erfolgt in der Schweiz mit einer Verordnung. Volk und Stände haben die dafür nötige Verfassungsänderung am 18. Juni 2023 an einer Volksabstimmung gutgeheissen. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 22. Dezember 2023 beschlossen, die Mindestbesteuerung mit der Einführung einer Ergänzungssteuer im Inland per 1. Januar 2024 umzusetzen. Am 4. September 2024 hat der Bundesrat entschieden, die internationale Ergänzungssteuer IIR auf den 1.1.2025 in Kraft zu setzen. Er verhindert damit den Abfluss von Steuersubstrat ins Ausland und schafft stabile Rahmenbedingungen. Innerhalb von sechs Jahren muss der Bundesrat dem Parlament zudem ein Bundesgesetz vorlegen, das die Verordnung ablöst.
Ausgangslage
Die bisherige Besteuerung von grossen, international tätigen Unternehmensgruppen ist nach Ansicht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) nicht mehr zeitgemäss.
Über 140 Staaten, darunter die Schweiz, haben sich im Oktober 2021 dazu bekannt, dass grosse, international tätige Unternehmensgruppen mit einem Umsatz von 750 Millionen Euro und mehr mindestens 15% Steuern auf ihren Gewinn bezahlen sollen.
Die grosse Mehrheit der EU-Staaten und weitere wichtige Industriestaaten haben gewisse Teile der Mindestbesteuerung bereits per 2024 umgesetzt.
Verfassungsänderung
Die Stimmbevölkerung hat am 18. Juni 2023 mit 78,5 Prozent eine Verfassungsänderung angenommen, welche die rechtliche Grundlage für die Umsetzung der Mindestbesteuerung in der Schweiz schafft. Ziel des Verfassungsgebers war es unter anderem, dass die Einnahmen aus einer höheren Besteuerung in der Schweiz bleiben und nicht ins Ausland abfliessen.
Eine Übergangsbestimmung in der Verfassung gibt dem Bundesrat Leitplanken vor, wie er die Mindestbesteuerung umzusetzen hat. Der Bundesrat hat dazu eine Verordnung erlassen. Diese gilt solange, bis sie von einem Bundesgesetz abgelöst wird. Der Bundesrat muss dem Parlament dieses Bundesgesetz spätestens nach sechs Jahren vorlegen.
Wer ist betroffen?
Ausschliesslich grosse, international tätige Unternehmensgruppen mit einem jährlichen weltweiten Umsatz von mindestens 750 Millionen Euro unterliegen der neuen Mindestbesteuerung. In der Schweiz zählen wenige Hundert inländische sowie wenige Tausend ausländische Unternehmensgruppen dazu. Grob 99% der Unternehmen in der Schweiz sind von der Reform daher nicht direkt betroffen und werden wie bisher besteuert.
In allen Kantonen kann eine tiefere Besteuerung als 15% auftreten. Besonders betroffen sind aber Kantone mit tiefer Steuerbelastung, in denen viele grosse und profitable Unternehmen angesiedelt sind.
Ergänzungssteuer in der Verordnung
Falls die Mindestbesteuerung nicht erreicht wird, wird der fehlende Betrag mit einer Ergänzungssteuer erhoben. Die Ergänzungssteuer ist eine Bundessteuer. Wie bei der direkten Bundessteuer wird sie von den Kantonen veranlagt.
In erster Linie stellt die nationale Ergänzungssteuer (QDMTT) die Mindestbesteuerung von betroffenen Unternehmensgruppen oder Geschäftseinheiten seit dem 1. Januar 2024 in der Schweiz sicher. In zweiter Linie stellt die internationale Ergänzungssteuer (IIR) die Mindestbesteuerung auch für alle ausländischen Geschäftseinheiten einer Unternehmensgruppe bei der obersten Muttergesellschaft (oder einer Zwischenholding) sicher, wenn die Geschäftseinheiten in anderen Staaten keiner Mindestbesteuerung unterworfen sind.
Auswirkungen
Die finanziellen Auswirkungen der Mindestbesteuerung sind unsicher. Die Einnahmen aus der nationalen Ergänzungssteuer werden anfänglich auf grob 1 bis 2,5 Mrd. Franken geschätzt. Erste Einnahmen werden 2026 erwartet. Ein Grund für die Schätzunsicherheit ist die eingeschränkte Datengrundlage. Zudem weicht die Bemessungsgrundlage gemäss OECD/G20 von derjenigen nach Schweizer Recht ab. Nicht abgebildet in der Schätzung sind auch mögliche Verhaltensanpassungen der Unternehmen (zum Beispiel in Form geringerer Investitionen in der Schweiz) und steuerpolitische Entscheide der Kantone (zum Beispiel mittels Tarifanpassungen bei der Gewinnsteuer).
Bezüglich letzteren Aspekts planen diverse Kantone eine Erhöhung der kantonalen Gewinnsteuer oder haben sie bereits beschlossen. Es ist somit bezüglich des Aufkommenspotenzials der QDMTT für den Bund wahrscheinlich, dass dieses im Zeitverlauf niedriger als im ersten Jahr ausfallen wird.
Das Aufkommenspotenzial einer internationalen Ergänzungssteuer (IIR) wird anfänglich auf grob 0,5 bis etwa 1 Mrd. Fr. geschätzt. Wahrscheinlich ist, dass die grosse Mehrheit der Staaten die Mindestbesteuerung auf ihrem Territorium zukünftig selbst sicherstellen werden. In diesem Fall sind die Einnahmen aus einer IIR temporärer Natur.
Das OECD/G20-Projekt führt zu einer Schmälerung der steuerlichen Standortattraktivität der Schweiz. Die sich daraus mittel- bis langfristig allenfalls ergebenden Anpassungsreaktionen der Unternehmen können sich auf die Einnahmen aus nahezu allen Steuern und auf die Einnahmen aus Sozialversicherungsbeiträgen negativ auswirken. Darum soll ein Teil der durch die Ergänzungssteuer eingenommenen Gelder zur Finanzierung von Massnahmen eingesetzt werden, die dem Standort Schweiz zugutekommen. Auch innerhalb der Schweiz wird der Steuerwettbewerb tendenziell eingeschränkt. Hochsteuerkantone werden im Verhältnis zu Tiefsteuerkantonen attraktiver. Auch steigt bei Unternehmen und Behörden der administrative Aufwand.
Q&A zur Umsetzung der OECD/G20-Mindestbesteuerung in der Schweiz
Zahlreiche für die Schweiz wirtschaftlich relevante Staaten haben die Mindestbesteuerung per 2024 eingeführt. Dies trifft beispielsweise auf die grosse Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten sowie weitere wichtige Industrienationen wie Grossbritannien, Kanada, Japan oder Südkorea zu. Die Angaben erfolgen ohne Gewähr und sind eine Momentaufnahme.
Gewisse EU-Mitgliedstaaten, welche die Mindestbesteuerungsregeln per 31. Dezember 2023 nicht umgesetzt hatten, z.B. Griechenland, haben die EU-Richtlinien in der Zwischenzeit in nationales Recht übernommen.
Grossbritannien und Kanada haben die QDMTT und die IIR per 2024 umgesetzt. Japan und Südkorea haben die IIR per 1. April 2024 bzw. per 1. Januar 2024 eingeführt, hingegen auf eine QDMTT vorerst verzichtet. Australien sieht die Einführung der IIR und QDMTT per 1. Januar 2024 (rückwirkend) vor. Singapur hat einen Gesetzesentwurf erarbeitet, der die Einführung einer IIR und QDMTT mit Wirkung ab 1. Januar 2025 vorsieht. In anderen grösseren Volkswirtschaften, wie den USA oder den BRIC-Staaten zeichnet sich weiterhin keine Umsetzung ab.
In Bezug auf die UTPR haben umliegende EU-Mitgliedstaaten bestätigt, dass diese bereits im Gesetzgebungsverfahren zur Einführung der Mindestbesteuerungsregeln enthalten war und ohne weitere parlamentarische Beschlüsse per 31. Dezember 2024 in Kraft treten wird (Stand August 2024 erwartet FL einen parlamentarischen Beschluss). Dies gilt gemeinhin für alle EU-Mitgliedstaaten, welche die EU-Richtlinien ins nationale Recht umgesetzt haben. Grossbritannien, Kanada und Australien beabsichtigen deren Einführung per 2025, ebenso Südkorea und Japan, wobei noch das parlamentarische Verfahren durchlaufen werden muss. Singapur verzichtet vorerst auf die Einführung einer UTPR. In anderen Staaten, wie bspw. den Vereinigten Arabischen Emiraten, Südafrika oder Katar ist unklar, ob die UTPR per 2025 eingeführt wird. Keine Einführung ist momentan in den USA sowie den BRIC-Staaten geplant.
Die IIR war im 2024 im Unterschied zur QDMTT nicht geeignet, um einen Abfluss von Steuersubstrat ins Ausland zu verhindern. Denn solange in anderen Staaten die UTPR nicht zur Anwendung kommt, würde die IIR in aller Regel zu einer Steuererhöhung führen, ohne dass eine solche durch das Ausland drohen würde. In dieser Situation war eine Abschöpfung von Steuern im Ausland jedoch kein Ziel des Verfassungsgebers.
Dank dem Verzicht auf eine IIR hat die Schweiz ihre Attraktivität als Holdingstandort im Jahr 2024 weitgehend erhalten können. Grund dafür ist, dass Tochtergesellschaften von Schweizer Unternehmensgruppen im Ausland vorderhand weiterhin von einer tieferen Besteuerung profitieren konnten, sofern sich diese in Staaten befinden, die die Mindestbesteuerung (noch) nicht umsetzen. Dasselbe gilt für Schweizer Zwischenholdings von Unternehmensgruppen aus Staaten ohne IIR.
Der Verzicht auf die Sicherstellung der Mindestbesteuerung im Ausland schaffte jedoch einen Anreiz für schweizerische Unternehmensgruppen, Gewinne und Aktivitäten in tiefbesteuerte ausländische Tochtergesellschaften zu verlagern. Auch hier gilt jedoch: Je rascher sich die Mindestbesteuerung international durchsetzt, desto geringer sind solche Verhaltensanpassungen.
Die per 2025 geplante Einführung der UTPR durch die grosse Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten und einige wenige weitere gewichtige Industriestaaten verändert die Ausgangslage gegenüber 2024 dahingehend, dass ab diesem Zeitpunkt auch die Schweizer IIR geeignet und notwendig erscheint, um einen substanziellen Abfluss von Steuersubstrat ins Ausland zu verhindern. Sie schirmt Schweizer Unternehmensgruppen und deren Zwischenholdings aus Ländern, die keine IIR eingeführt haben gegenüber dem Einsatz einer ausländischen UTPR ab.
Für Unternehmensgruppen aus Staaten, die die IIR einführen, bewirkt die QDMTT keine steuerliche Mehrbelastung, weil der Staat ihres Hauptsitzes die IIR anwenden und dieser Staat die Mindestbesteuerung von 15 Prozent ohnehin durchsetzen würde. Dies betrifft grob geschätzt 1'000 Unternehmensgruppen, darunter namentlich Schweizer Ableger von europäischen Unternehmensgruppen. Für diese Unternehmen schafft die QDMTT zudem erhöhte Rechtssicherheit und reduziert den administrativen Aufwand. Grund dafür ist vor allem der sogenannte QDMTT Safe-Harbour, von dem diese Unternehmensgruppen profitieren könnten und der sie vor zusätzlichen Veranlagungsverfahren im Ausland schützen soll.
Für andere von der Reform betroffene Unternehmensgruppen, namentlich für schweizerische und US-amerikanische, bewirkt die QDMTT hingegen eine Steuererhöhung, sofern deren Gewinne heute in der Schweiz zu weniger als 15 Prozent besteuert werden. Bei einem Verzicht der Schweiz auf die QDMTT wären sie frühestens ab 2025 von der Mindestbesteuerung (durch die UTPR) betroffen gewesen. Die verfügbaren Daten deuten darauf hin, dass mutmasslich mehr als die Hälfte des Einnahmenpotentials aus der QDMTT auf diese Unternehmensgruppen entfallen.
Steuerbelastungen von weniger als 15% sind jedoch weiterhin möglich, wenn das Unternehmen über Substanz verfügt. Der Substanzabzug ermöglicht es, dass Gesellschaften, die über viel Substanz in Form von Sachanlagen sowie Personal verfügen, auf einen Teil des Gewinns weiterhin tiefer als mit 15% besteuert werden können. Im ersten Jahr beträgt der Substanzabzug 10% der Lohnsumme plus 8% der materiellen Sachanlagen. Nach der Übergangsperiode können Gewinne in der Höhe von 5% der Lohnsumme und der Sachanlagen vom Substanzabzug profitieren. Standorte, mit vielen substanzstarken Unternehmensgruppen sind demnach von der Mindestbesteuerung weniger betroffen als Standorte, in welchen viele substanzschwache Tätigkeiten erbracht werden.
Die IIR dient der Abschirmung gegenüber dem Einsatz einer ausländischen UTPR sowohl mit Blick auf Gewinne schweizerischer Unternehmensgruppen als auch gegenüber Schweizer Zwischenholdings von Unternehmensgruppen aus Ländern, welche keine IIR eingeführt haben.
Da der stark überwiegende Teil der noch unter 15 Prozent besteuerten Gewinne ohnehin von der UTPR anderer Staaten erfasst würde, bringt das Inkrafttreten der IIR in der Schweiz zudem kaum Standortnachteile mit sich. Vielmehr dürfte sich der Verzicht auf das Inkrafttreten der IIR tendenziell nachteilig auf den Standort auswirken, da auf Einnahmen verzichtet würde, welche ihrerseits für die Stärkung des Standorts Schweiz eingesetzt werden könnten. Der Bund ist dabei verpflichtet, die Einnahmen aus der Ergänzungssteuer abzüglich seiner Mehrbelastungen für den nationalen Finanzausgleich für standortfördernde Massnahmen zu verwenden. Auch in verschiedenen Kantonen zeichnet sich ab, dass die zusätzlichen Einnahmen zumindest teilweise für die Wahrung der Standortattraktivität verwendet werden.
Überdies werden mit Inkrafttreten der IIR in der Schweiz Schweizer Unternehmensgruppen vor zusätzlichen Steuerverfahren und vor der Anwendung der UTPR im Ausland geschützt.
Zwar würden mit Inkrafttreten einer UTPR per 2025 der Schweiz Einnahmen zufliessen, die ansonsten durch andere Staaten abgeschöpft würden. Allerdings dürfte das Aufkommenspotenzial aus einer UTPR wesentlich hinter demjenigen der IIR zurückbleiben. Die gesamtstaatlichen Einnahmen aus einer UTPR könnten sich auf einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag belaufen.
Es ist davon auszugehen, dass nahezu alle Unternehmensgruppen von der UTPR in einem ersten Schritt erfasst würden. Die Mehrheit dieser Unternehmensgruppen dürfte der UTPR auch dauerhaft nicht ausweichen können. Eine Ausnahme könnten jedoch Unternehmensgruppen mit stark digitalisierten Geschäftsmodellen darstellen.
Anders als bei der IIR, deren Inkrafttreten dazu führt, dass Schweizer Unternehmensgruppen nicht mit der Abwicklung der UTPR im Ausland konfrontiert werden, entstünde durch das Inkrafttreten der UTPR in der Schweiz kein administrativer Vorteil.
Doch die Rechtsunsicherheiten nähmen zu. Auf internationalem Parkett wird nach wie vor die Völkerrechts- und Abkommenskonformität der UTPR diskutiert.
In einer Güterabwägung sind die rechtlichen und wirtschaftspolitischen Unsicherheiten und Risiken klar stärker zu gewichten als das vergleichsweise tiefe Einnahmenpotenzial einer UTPR.
Sowohl die kurz- als auch langfristigen finanziellen Auswirkungen der Ergänzungssteuer sind schwierig zu schätzen. Gründe dafür sind:
Die eingeschränkte Datenbasis: Beispielsweise können die betroffenen Unternehmensgruppen nicht bestimmt werden, da die vorhandene Statistik auf einzelnen Unternehmen, nicht aber auf Unternehmensgruppen basiert.
Unterschiedliche Bemessungsgrundlagen: Die von der OECD/G20 festgelegten Regeln zur Gewinnermittlung weichen von den Regeln ab, die in der Schweiz gelten. Diese Unterschiede können zu höheren oder tieferen Einnahmen aus der Ergänzungssteuer führen.
Mögliche Verhaltensanpassungen: Da keine Erfahrungswerte aus der Vergangenheit existieren, bestehen Unsicherheiten, ob die anderen Staaten ihr Steuer- und Subventionssystem bzw. die Unternehmen ihre Strukturen und Investitionen anpassen werden. Auch sind die Kantone bei der Festlegung des Gewinnsteuertarifs autonom. Einige Kantone haben ihren Spielraum bereits genutzt.
Im ersten Jahr werden die Einnahmen aus der nationalen Ergänzungssteuer grob auf 1 bis 2,5 Milliarden Franken geschätzt. Der Bund hat ab 2026 im Finanzplan Einnahmen von 1,6 Milliarden Franken eingestellt, 400 Millionen Franken für den Bund und 1,2 Milliarden Franken für die Kantone. Steuereinnahmen können gegenläufige Auswirkungen entgegenstehen: Durch die OECD/G20-Mindestbesteuerung büsst die Schweiz an steuerlicher Attraktivität ein. Das könnte grosse Unternehmensgruppen beispielsweise dazu veranlassen, weniger in der Schweiz zu investieren oder sich nicht in der Schweiz niederzulassen. Betroffen wären dann nicht nur die Einnahmen aus der Gewinn- und Ergänzungssteuer, sondern auch die Einnahmen weiterer Steuerarten (vornehmlich der Einkommenssteuer) und der Sozialversicherungen.
Das Aufkommenspotenzial einer internationalen Ergänzungssteuer (IIR) wird anfänglich auf grob 0,5 bis etwa 1 Mrd. Fr. geschätzt. Wahrscheinlich ist, dass die grosse Mehrheit der Staaten die Mindestbesteuerung auf ihrem Territorium selbst sicherstellen werden. In diesem Fall sind die Schweizer Einnahmen temporärer Natur.
Schliesslich haben einige Kantone Anpassungen des Gewinnsteuertarifs bereits beschlossen. Die Einnahmen aus der Ergänzungssteuer werden dadurch tiefer ausfallen, im Gegenzug werden die Einnahmen aus den kantonalen Gewinnsteuern infolge der kantonalen Tarifänderungen steigen. Mit Blick auf die verschiedenen Staatsebenen dürften die Kantone insgesamt mehr Einnahmen generieren; die Einnahmen des Bundes wären dagegen tiefer als ohne die steuerpolitischen Entscheide der Kantone.
Die Verfassungsbestimmung sieht vor, dass zusätzliche Einnahmen aus der Ergänzungssteuer zu 75 Prozent den Kantonen und zu 25 Prozent dem Bund zukommen. Kantone, die heute weniger als 15% Steuern verlangen und relativ viele der von der Mindestbesteuerung betroffenen Unternehmensgruppen beheimaten, werden auch mehr Erträge aus der Ergänzungssteuer vereinnahmen als andere Kantone. Diese Kantone sind zugleich am stärksten von der zusätzlichen Steuerbelastung und der Einbusse an Standortattraktivität betroffen. Der Gewinnsteuersatz in den Kantonen ist nicht alleine entscheidend. Die Steuerbelastung kann auch dort tiefer als 15% sein, wo der Gewinnsteuersatz höher ist als 15% – wenn bspw. ein Unternehmen Steuerermässigungen für Forschung und Entwicklung in Anspruch nehmen kann.
Die Verfassung schreibt vor, dass der Bund seine zusätzlichen Einnahmen für die Standortförderung der Schweiz einsetzt (abzüglich seiner Mehrausgaben für den Finanz- und Lastenausgleich, die aus der Ergänzungssteuer resultieren). Auch eine Mehrheit der Kantone plant Massnahmen zur Förderung der Standortattraktivität, wie eine erste Umfrage zeigte:
Die zusätzlichen Einnahmen aus der Ergänzungssteuer werden im bestehenden System des Finanzausgleichs berücksichtigt, d.h. es gibt eine Umverteilung über den Finanzausgleich. Von diesem profitieren die finanzschwächeren Kantone. So kommen auch Kantone zu zusätzlichen Einnahmen, die keine direkten Erträge aus der Ergänzungssteuer erzielen.
Der Bund verwendet mittelfristig rund einen Drittel seiner Einnahmen aus der Ergänzungssteuer zur Kompensation seiner Mehrbelastungen beim Finanzausgleich. Die verbleibenden Mittel sollen für Massnahmen zugunsten der Standortattraktivität der Schweiz in folgenden Bereichen verwendet werden: Für die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung, die Dekarbonisierung von Unternehmen sowie zur Finanzierung des Wachstums im Bereich Bildung, Forschung und Innovation.
Die OECD/G20-Mindestbesteuerung findet Anwendung auf Unternehmensgruppen mit einem weltweiten Jahresumsatz von mindestens 750 Mio. Euro. Der Mechanismus der Mindestbesteuerung beruht auf drei Massnahmen:
QDMTT (auch: nationale Ergänzungssteuer): Mit der sogenannten Qualified Domestic Minimum Top-up-Tax (QDMTT) erfasst ein Staat die bei ihm ansässigen und mit weniger als 15 Prozent besteuerten Gesellschaften. Sie betrifft in- und ausländische Unternehmensgruppen. In der Schweiz wird die QDMTT in Form einer nationalen Ergänzungssteuer sichergestellt. Beispiel: Die QDMTT erfasst Gewinne von Schweizer Gesellschaften sowie von in der Schweiz ansässigen Gesellschaften ausländischer Konzerne und führt dazu, dass deren Gewinne ab 2024 zu 15 Prozent besteuert werden.
IIR: Mit der sogenannten Income Inclusion Rule (IIR) erfasst ein Staat die bei ihm ansässigen Gesellschaften für deren (zu) tief besteuerte Tochtergesellschaften im Ausland. Die IIR betrifft zum einen inländische Unternehmensgruppen, die mit weniger als 15 Prozent besteuerte Tochtergesellschaften im Ausland haben, zum anderen aber auch ausländische Unternehmensgruppen, die in der Schweiz über eine Zwischenholding verfügen und deren ausländischen Töchter (zu) tief besteuert sind. Beispiel: Die IIR erfasst Gewinne der Tochtergesellschaften von Schweizer Unternehmensgruppen oder von Zwischenholdings, falls diese in ihrem Sitzstaat mit weniger als 15 Prozent besteuert werden.
UTPR: Mit der sogenannten UTPR erfasst ein Staat die bei ihm ansässigen Gesellschaften für beliebige andere (zu) tief besteuerte ausländische Konzerngesellschaften.
Beispiel: Die UTPR erfasst Gewinne der Tochtergesellschaften einer ausländischen Unternehmensgruppe, die auch einen Ableger in der Schweiz hat.
Rangfolge:
Mit erster Priorität kann ein Staat auf seinem Gebiet die Mindestbesteuerung selbst mittels einer QDMTT sicherstellen.
Macht er von dieser Option keinen Gebrauch, kann der Staat der obersten Muttergesellschaft mittels IIR besteuern, subsidiär der Staat der Zwischenholding.
Erhebt kein Staat die QDMTT oder IIR, können die anderen Staaten, in denen sich eine beliebige Konzerngesellschaft befindet, die UTPR erheben.
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