Eröffnungsrede OLMA 2023

Eröffnungsrede OLMA 2023 vom 12. Oktober 2023 im St. Gallen von Bundesrätin Karin Keller-Sutter

Hinweis: Es gilt das gesprochene Wort

Meine Damen und Herren

Eine Rede zur OLMA-Eröffnung ist eine ernsthafte Angelegenheit. Es empfiehlt sich deshalb eine gründliche Vorbereitung. Dazu gehört natürlich auch das Studium der einschlägigen Literatur.

In welche Bücher also vertieft man sich zur Vorbereitung einer ernsthaften OLMA-Eröffnungsfeier?

Wir alle wissen, dass das Schwein an der OLMA eine zentrale Rolle spielt. Beim Eröffnungsrundgang und beim traditionellen Säulirennen ist es die Hauptfigur. Und auch auf dem OLMA-Plakat macht es eine gute Figur. Nur bei der OLMA-Bratwurst drängelt sich das Schwein nicht vor. Da überlässt es dem Kalb den Vortritt. Dank dieser List hat das Schwein, man muss es so sagen, dieser Tage mehr Nämliches als das Kalb .

Doch lassen wir diese Kalbereien. Zurück zum Thema. Was sagt die Weltliteratur zum Schwein?

Die grösste Schweizer Onlinebuchhandlung führt zum Stichwort stattliche 985 Titel im Angebot. Das ist eine halbe Bibliothek. Das Ergebnis machte mich neugierig. Ich wollte wissen, wie es wohl literarisch um meine beste Freundin steht. Also gab ich ein:

«Schul-den-brem-se».

Das Resultat war schockierend. Es waren nur gerade 90 Titel, mehr als 10-mal weniger!

Ich gebe es zu: Das nehme ich persönlich. Das Missverhältnis zwischen Schweinen und der Schuldenbremse im literarischen Schaffen ist bedenklich. Wie dem auch sei: Wir wollen uns hier ja ernsthaft mit dem literarischen Korpus zum sus scrofa domestica, dem gemeinen Hausschwein also, befassen.

Ich werde Ihnen in der Folge die wichtigsten einschlägigen Bücher kurz vorstellen.

Es wäre günstig, wenn Sie dazu Papier und Bleistift hervornehmen würden, denn am Schluss gibt es einen kleinen Test. Wenn Sie ihn bestehen, dürfen Sie in die Degustationshalle. Also: Falls Sie ihn bestehen. Wir wollen es Ihnen ja nicht zu leicht machen. Aber keine Angst: Man kann den Test wiederholen. An der nächsten OLMA klappt es dann bestimmt mit der Degustation.

Ich beginne mit dem ersten der 985 Buchtitel:

«Schwein und Zeit» von Fahim Amir.
Untertitel: Tiere, Politik, Revolte.

Ich zitiere aus dem Klappentext:

«Nicht um moralische Selbsterhöhung oder marktförmige Imaginationen gesellschaftlicher Reform durch korrekten Konsum geht es hier, sondern um utopische Momente, die die Gegenwart zum Stottern bringen.»

Das Buch wurde mit dem Karl-Marx-Preis 2018 ausgezeichnet. Sie können gerne selber entscheiden, ob Sie es lesen wollen.

Buch Nummer zwei:

«Schweine – ein Portrait» von Thomas Macho.

Macho hat sich in seinem sehr lesenswerten Büchlein unter anderem mit der mir beruflich liebsten Schweinegattung befasst. Mit jener des Sparschweins. Zur Genese des Sparschweins gibt es verschiedene Theorien. Bei einer geht es um splitterfasernackte, auf Schweinen reitende Damen in der griechischen Mythologie. Ich erspare Ihnen hier die unsittlichen Details.

Eine andere Theorie der Sparschwein-Forschung bezieht sich auf englische Gefässe, die aus einem Material namens «pygg» hergestellt worden seien. In diesen Krügen wurden auch Münzen aufbewahrt. Über die Jahre soll aus «pygg» das Wort «pig» geworden sein. Schliesslich wurde die Form dem Wort angepasst – et voilà, es schlug die Geburtsstunde des modernen Sparschweins. Es ist und bleibt das Symbol haushälterischen Umgangs mit Geld schlechthin.

Womit wir – man beachte den eleganten Übergang – bei den Bundesfinanzen wären. Bei diesen verhält es sich bekanntlich wie bei einem gut durchwachsenen Speck. Es gibt die fetten und es gibt die mageren Jahre.

Wobei es uns wiederum wie den Maden im Speck ergeht. Ihr Horizont ist klein. Und manche glauben tatsächlich, die fetten Jahre seien unerschöpflich. Neigt sich das Fett dann dem Ende zu, bleibt ungläubiges Staunen und verbreitete Ratlosigkeit.

An diesem Punkt sind wir heute. Nicht etwa, weil der Bund zu wenig in der Futterkrippe hätte – die Steuereinnahmen wachsen. Sondern in erster Linie, weil zu viele Ausgaben beschlossen wurden, ohne sich über deren Finanzierung Gedanken zu machen.

Fakt ist jedenfalls, dass wir auf Bundesebene nun gegensteuern müssen. Das wird uns noch über Jahre beschäftigen und wird zu vielen Diskussionen führen. Es wird gewissermassen enger an der Futterkrippe.

Politik ist ein relativ einfaches Geschäft, wenn man immer mehr verteilen kann. Es ist ein schwieriges, wenn man den Gürtel wieder etwas enger schnallen muss. In diesen heiligen Hallen fragt man sich natürlich: Was bedeutet das für die Landwirtschaft?

Die Schweizer Landwirtschaft, das können wir an dieser OLMA besichtigen, hat allen Grund, selbstbewusst aufzutreten. Sie ist tief in unserem Land verwurzelt und erfreut sich zurecht hoher gesellschaftlicher Akzeptanz. Ich bin überzeugt davon, dass sie dank ihrer Innovationskraft die Zukunftschancen beim Schopf packt. Zu sehen sind solche Ansätze übrigens auch in «Familie Zürchers Garten» des diesjährigen Gastkantons Zürich.

Schwierigere Zeiten bieten immer auch Chancen.

  • Die Chance, Prioritäten zu setzen.
  • Die Chance, die Eigeninitiative zu stärken.
  • Die Chance, vermeintlich Bewährtes zu überdenken.
  • Die Chance, Innovation voranzutreiben.

Diese Chancen wird die Landwirtschaft packen. Denn zupacken, das können unsere Bäuerinnen und Bauern.

Dafür darf man, finde ich, auch einmal danken. Mit ihrem Einsatz, den Bäuerinnen und Bauern Tag für Tag, Sommers wie Winters auf den Feldern, auf den Wiesen und im Stall leisten, erbringen sie den entscheidenden Beitrag zur Ernährungssicherheit unseres Landes.

Wie wichtig eine solide landwirtschaftliche Basis ist, das sehen wir derzeit im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine.

Man darf also gerade heute sagen: Gut, gibt es die Schweizer Bäuerinnen und Bauern.

***

Meine Damen und Herren

Ich bin jetzt etwas vom Thema abgeschweift. Sie können Papier und Bleistift jetzt wieder hervornehmen. Wir kommen nämlich zum dritten Buch über Schweine. Wenn Sie mitgezählt haben, so wissen Sie: Es bleiben damit nur noch 982 bis zum Test.

«Porcus, das charakterlose Schwein»
von Otto W. Bringer.

Ein vergnügliches Werk für junge Leute mit bildungsbürgerlichem Hintergrund. Lateinkenntnisse sind nicht notwendig, aber sie helfen bei der Lektüre dieser Charakterstudie junger Schüler.

A propos Charakter: Dass das Schwein ganz allgemein eher negativ konnotiert wird, ist eine Schweinerei. Die Tiere sind sehr sozial und intelligent. Schweine sind super. Das muss man in aller Deutlichkeit festhalten.

Man muss mit der Schweine-Liebe allerdings nicht zwingend so weit gehen wie der Schauspieler George Clooney. Er liess sein Hängebauchschwein «Max» gelegentlich sogar in seinem Bett übernachten. Das war natürlich, bevor er verheiratet war.

Doch wir weichen schon wieder vom Thema ab. Zurück also zu unserem literarischen Schweine-Kanon.

Wir kommen zum nächsten Buch. Keine Sorge übrigens: In fünf Stunden ungefähr sollten wir durch sein. Es fehlen nur noch 981 Bücher.

Wenn Sie diese Aussicht etwas ermüdend finden – was mich natürlich enttäuschen würde -, dann empfehle ich Ihnen das vierte Buch auf unserer Liste zur Lektüre. Geschrieben hat es Katja Reider:

Titel: «Voll gemein, sagt das Schwein»

Gemein will ich ja nicht sein. Wir pausieren deshalb mit dem schweinisch-literarischen Tour d’horizon und wenden uns dem zu, was die OLMA auch noch ausmacht.

Ihre mittlerweile 80-jährige Geschichte begann mitten in der Anbauschlacht des Zweiten Weltkrieges. Das Konzept war die «Schaustellung von Produkten, die belehrende Aufklärung und der Warenverkauf», wie es damals hiess.

Im Grunde hat sich an diesem Kern wenig geändert. Aber aus der OLMA ist eben doch viel mehr geworden. Sie ist ein Fixpunkt im Jahreskalender, eine eigene Jahreszeit, die grösste Publikumsmesse der Schweiz. Ein Ereignis, auf das die Ostschweiz zu Recht stolz ist. Sie bietet uns in herbstlicher Fülle:

  • Begegnungen mit Freundinnen und Freunden.
  • Kulinarische Genüsse.
  • Anregende Gespräche.
  • Dieses Jahr einen vertieften Blick auf den Gastkanton Zürich.
  • Und vor allem: Einfach eine gute Zeit. OLMA-Zeit eben.

Geniessen Sie diese OLMA! Fühlen Sie sich gewissermassen: Sauwohl.

Mir selber bleibt ja noch die traditionelle Begegnung mit dem Säuli.

Und Ihnen, fast hätte ich es vergessen: Ihr Test.

Wobei: Da Sie bis jetzt durchgehalten haben, erlasse ich Ihnen die verbleibenden 980 Bücher und halte fest:

Sie haben soeben bestanden.

Schwein gehabt!

Ich danke Ihnen.

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Ultima modifica 12.10.2023

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