Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung

Das Wichtigste in Kürze

Das geltende System der Eigenmietwertbesteuerung ist seit Jahren ein Zankapfel. Insbesondere stellen sich Eigenheimbesitzerinnen und Eigenheimbesitzern Fragen über Sinn und Zweck der Besteuerung eines als «fiktiv» empfundenen Einkommens. Der Bundesrat hat sich in der jüngeren Vergangenheit wiederholt offen gezeigt für eine Reform der Wohneigentumsbesteuerung, sofern diese ausgewogen, in sich konsistent und finanziell verkraftbar ausgestaltet ist. Vor diesem Hintergrund hat er in seiner Stellungnahme vom 25. August 2021 Eintreten auf die Vorlage der vorberatenden Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) beschlossen. Der Ständerat hat am 21. September 2021 als Erstrat dem vorgeschlagenen Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung zugestimmt. Die WAK-N hat am 16. August 2022 in zahlreichen Punkten Abweichungen an der Vorlage des Ständerates vorgenommen. Das Geschäft kommt während der Herbstsession 2022 im Nationalrat zur Behandlung


Eckwerte der Vorlage

Die Bemühungen um eine Abschaffung des Eigenmietwerts haben eine lange Vorgeschichte. Sie sind allesamt gescheitert. Unbesehen davon sieht der Bundesrat bei der Wohneigentumsbesteuerung Handlungsbedarf. Denn das geltende System weist substanzielle Mängel auf:

  • Stichwort private Verschuldungsanreize: Die Hypothekarverschuldung der privaten Haushalte in der Schweiz ist im internationalen Vergleich sehr hoch und hat in den letzten Jahren sukzessive zugenommen. Gleichzeitig hat die steigende Nachfrage nach Immobilien zu einem starken Anstieg der Immobilienpreise geführt. Hieraus resultieren nicht vernachlässigbare Unwägbarkeiten: Ein heikler Punkt ist beispielsweise die Frage, wie sich diese hohe Verschuldung im Falle eines deutlichen Zinsanstiegs verbunden mit einer Preiskorrektur auf dem Immobilienmarkt auf die Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors und der Volkswirtschaft der Schweiz auswirken würde. Sowohl die OECD als auch der IWF haben mit Blick auf die Finanzstabilität mehrfach empfohlen, diesen Fehlanreiz zu beheben und die Abzugsfähigkeit von Hypothekarschuldzinsen einzuschränken.

  • Stichwort Komplexität: Die Festlegung der Eigenmietwerte ist keine exakte Wissenschaft. Sie macht das Steuerveranlagungsverfahren kompliziert. Die Marktmietwerte können in der Regel nicht direkt hergeleitet werden, sondern müssen geschätzt werden. Dies führt wegen den vielen Einflussfaktoren zu einem aufwändigen Schätzungsverfahren. Die Mietwerte kommen dabei mit Blick auf die verfassungsrechtlich gewollte Wohneigentumsförderung (Art. 108 Abs. 1 BV) systematisch unter den Marktmietwert zu liegen. Auch die mit dem geltenden System verbundenen Abzüge wirken verkomplizierend.

  • Stichwort anhaltender Rentnerinnen-und-Rentner-Frust: Ganz allgemein ist festzuhalten, dass sich innerhalb des heutigen Systems Personen am stärksten benachteiligt fühlen, die die Hypothekarschulden auf ihrem Haus oder ihrer Wohnung nahezu vollständig abbezahlt haben. In dieser Konstellation kann der Saldo zwischen Eigenmietwert und Abzügen einen beachtlichen Anteil an den steuerbaren Gesamteinkünften ausmachen. Davon betroffen sind vor allem auch Rentnerinnen und Rentner.

Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme vom 25. August 2021 in zwei zentralen Punkten Änderungsanträge gegenüber der Vorlage der WAK-S gestellt: Erstens spricht er sich für einen vollständigen Systemwechsel aus, der den Wegfall des Eigenmietwerts auf Zweitliegenschaften miteinschliesst. Ansonsten werden zwei parallel zu führende Systeme aufrechterhalten, die sich verwaltungsökonomisch als schwerfällig erweisen. Das Vereinfachungspotenzial eines Systemwechsels wird dadurch nicht ausgeschöpft. Zweitens schiesst der von der Kommissionsmehrheit getroffene Entscheid, private Schuldzinsen künftig nicht mehr zum Abzug zuzulassen, über das Ziel hinaus. Es ist richtig, die Anreize zur privaten Verschuldung einzuschränken, der besagte Vorschlag ist jedoch zu radikal ausgefallen und verfassungsrechtlich problematisch. Schuldzinsen müssen nach Ansicht des Bundesrates weiterhin zum Abzug zugelassen werden, wenn sie der Erzielung eines steuerbaren Einkommens dienen. Dies ist namentlich bei vermieteten oder verpachteten Liegenschaften der Fall oder bei selbstgenutzten Zweitliegenschaften, auf denen weiterhin der Eigenmietwert erhoben werden soll.

Der Ständerat hat in der Herbstsession 2021 die Vorlage der WAK-S durchberaten und in der Gesamtabstimmung mit 20:17 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen. Sie zeichnet sich durch folgende Eckwerte aus:

  • Es handelt sich um einen partiellen Systemwechsel, wonach im Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG) und im Steuerharmonisierungsgesetz (StHG) das am Wohnsitz selbstbewohnte Wohneigentum nicht mehr dem Eigenmietwert unterstellt werden soll. Mit Rücksicht auf die fiskalischen Interessen der Tourismuskantone bleiben hingegen der Mietwert von selbstgenutzten Zweitliegenschaften weiterhin steuerbar.

  • Systemkonform sind mit dem Wegfall des Eigenmietwerts die Unterhaltskosten nicht mehr abziehbar.

  • Private Schuldzinsen sollen Bezüglich des Schuldzinsenabzugs hat sich eine Kommissionsmehrheit für ein komplettes Abzugsverbot im DBG und im StHG ausgesprochen. Für eine Kommissionsminderheit ist dieses Vorgehen zu radikal. Abziehbar sollen weiterhin private Schuldzinsen im Umfang von 70 Prozent der steuerbaren Vermögenserträge abziehbar bleiben sein.

  • Bei den ausserfiskalisch motivierten Abzügen (Energiesparen und Umweltschutz) soll die Abzugsberechtigung im StHG wie bisher als Kann-Vorschrift bestehen bleiben ‒ allerdings mit einem Verfalldatum von 2050. Im DBG jedoch sind die genannten Abzüge aufzuheben.

  • Der Abzug für denkmalpflegerische Arbeiten soll wie heute im DBG und im StHG (Kann-Vorschrift) bestehen bleiben.

  • Schliesslich wird mit dem Ersterwerberabzug im DBG und im StHG eine neue, zeitlich und betragsmässig beschränkte Steuervergünstigung im Schweizer Steuerrecht geschaffen.

Die WAK-N hat am 16. August 2022 folgende Abweichungen zur ständerätlichen Vorlage beschlossen:

  • Es soll im DBG und im StHG auf einen vollständigen Systemwechsel umgeschwenkt werden, damit der Eigenmietwert auch bei selbstgenutzten Zweitliegenschaften abgeschafft wird.

  • Die Energiespar- und Umweltschutzabzüge sowie die Rückbaukosten im Hinblick auf einen Ersatzneubau inkl. Abzugsvortragsmöglichkeit sollen auch im DBG weiterhin geltend gemacht werden können (StHG: Kann-Vorschrift wie vom Ständerat beschlossen).

  • Im DBG sollen die effektiven Unterhaltskosten weiterhin abgezogen werden können. Im StHG ist hierzu eine entsprechende Kann-Vorschrift der Kantone vorgesehen.

  • Bezüglich des allgemeinen Schuldzinsenabzugs wurde beschlossen, dass im DBG und im StHG die Abzugsberechtigung im Umfang der steuerbaren Vermögenserträge erfolgen soll (der Ständerat hatte anlässlich der Erstberatung in der Herbstsession 2021 beschlossen, dass die Abzugsberechtigung nur im Umfang von 70 Prozent der steuerbaren Vermögenserträge erfolgen soll).

  • Der im Zuge eines Systemwechsels vom Ständerat vorgesehene Ersterwerberabzug soll wieder aus der Vorlage gestrichen werden.

Ausblick / Aktueller Stand

In der Gesamtabstimmung wurde die Vorlage in der WAK-N mit 12:10 Stimmen bei 3 Enthaltungen angenommen. Als nächstes geht das Geschäft in den Nationalrat.

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Letzte Änderung 18.01.2023

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