Der Schweizer Steuerföderalismus
Der schweizerische Föderalismus prägt das Steuersystem der Schweiz. Jeder der 26 Kantone hat sein eigenes Steuergesetz und belastet Einkommen, Vermögen, Erbschaften sowie andere Steuerobjekte höchst unterschiedlich. Artikel 3 der Bundesverfassung umschreibt die Grundzüge der föderalistischen Ordnung und regelt das Verhältnis zwischen Bund und Kantonen:
«Die Kantone sind souverän, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist; sie üben alle Rechte aus, die nicht dem Bund übertragen sind.»
Auf die Steuern übertragen heisst diese Kompetenzverteilung Folgendes:
- Der Bund darf nur diejenigen Steuern erheben, zu deren Erhebung ihn die Bundesverfassung ausdrücklich ermächtigt.
- Die Kantone hingegen sind in der Wahl ihrer Steuern grundsätzlich frei: Es sei denn, die Bundesverfassung verbiete ausdrücklich die Erhebung bestimmter Steuern durch die Kantone oder behalte sie dem Bund vor.
Während Bund und Kantone eine ursprüngliche Steuerhoheit besitzen dürfen Gemeinden nur da Steuern erheben, wo sie der Kanton ermächtigt. Im Gegensatz zur ursprünglichen Hoheit spricht man hier deshalb von abgeleiteter oder delegierter Steuerhoheit. Den knapp 2000 zählenden Gemeinden kommt in der föderalistischen Staatsstruktur der Schweiz eine sehr grosse Bedeutung zu. Mehrheitlich erheben die Kantone und Gemeinden die gleichen Steuern (Einkommens- und Vermögenssteuer bzw. Gewinn- und Kapitalsteuer). Vielfach partizipieren die Gemeinden nur am kantonalen Steuerertrag oder erheben Zuschläge zur kantonalen Steuer.
2017 (Quelle: Finanzstatistik der Schweiz 2017) entfiel der Fiskalertrag wie folgt auf die drei Gebietskörperschaften:
- Bund: 67,3 Mrd. Franken
- Kantone: 46,4 Mrd. Franken
- Gemeinden: 29,0 Mrd. Franken
Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF)
Eine der gewichtigsten Umbauten im Schweizer Steuersystem geht auf das Konto der letzten Steuerreform. Die Schweizer Stimmberechtigten haben anlässlich der Volksabstimmung vom 19. Mai 2019 die neue Unternehmenssteuerreform STAF mit 66,4 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Die Vorlage ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Seither gelten für alle Unternehmen – für Grosskonzerne wie für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) – die gleichen Besteuerungsregeln.
Dank dieser Steuerreform bleiben Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmensstandorts Schweiz gewahrt sowie Arbeitsplätze und Steuereinnahmen mittel- bis längerfristig gesichert.
Bisherige Steuerprivilegien für überwiegend international tätige Unternehmen (sog. Statusgesellschaften) sind aufgehoben, weil sie international nicht mehr akzeptiert sind.
Damit die Schweiz weiterhin ein attraktiver Wirtschaftsstandort bleibt, hat die Steuerreform neue Sonderregelungen eingeführt:
- Die Patentbox bewirkt, dass ein Teil der Gewinne aus Erfindungen in den Kantonen künftig ermässigt besteuert wird.
- Die Kantone können einen zusätzlichen Abzug von höchstens 50 Prozent für Ausgaben von Forschung & Entwicklung in ihrem Recht verankern.
- Die Kantone können mit einer effektiven Gewinnsteuerbelastung von mindestens 18,03 Prozent einen Abzug für Eigenfinanzierung einführen.
Diese Sonderregelungen werden von einer Entlastungsbegrenzung flankiert. Diese Entlastungsbegrenzung sieht für die Kantone verbindlich vor, dass ein Unternehmen immer mindestens 30 Prozent seines steuerbaren Gewinns vor Anwendung der Sonderregelungen versteuern muss.
Weiter hat die Vorlage eine Erhöhung des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer zur Folge: Die Kantone erhalten neu 21,2 Prozent aus den Erträgen der direkten Bundessteuer (bisher 17 Prozent). Das verschafft den Kantonen finanzpolitischen Spielraum, um bei Bedarf ihre Gewinnsteuern zu senken und so wettbewerbsfähig zu bleiben.
Neue internationale Herausforderungen
Erneut fordern internationale Entwicklungen das schweizerische Steuersystem heraus. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat Vorschläge erarbeitet. Diese zeigen auf, wie die Unternehmensbesteuerung längerfristig an die zunehmend digitalisierte Wirtschaft angepasst wird (Ausführliches im Faktenblatt «Besteuerung digitalisierte Wirtschaft»). Die Schweiz beteiligt sich an der Entwicklung neuer Lösungen.
Das OECD-Arbeitsprogramm hat zwei Lösungsansätze entwickelt:
Säule 1: Änderung des Gewinnzuteilungsmechanismus und der örtlichen Anknüpfungspunkte für die Begründung einer Steuerpflicht. Auf diese Weise wird den Marktstaaten ein grösserer Anteil am Konzerngewinn zur Besteuerung zugewiesen.
Säule 2: Einführung einer Mindestbesteuerungsregel. Über die Höhe des Mindeststeuersatzes wird entschieden, wenn die technischen Details geklärt sind.