Die «Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen der Schweiz» liefern die Grundlagen für eine nachhaltige Finanzpolitik. Trends wie Alterung und Klimawandel wirken sich langfristig auf die öffentlichen Haushalte aus. Die Langfristperspektiven weisen auf den wirtschafts- und finanzpolitischen Handlungsbedarf hin.
Das Wichtigste in Kürze
Auf die öffentlichen Haushalte kommen langfristige Herausforderungen wie Alterung und Klimawandel zu. Zur Gewährleistung einer nachhaltigen Finanzpolitik bedarf es deshalb eines Instruments, welches über Budget und Finanzplan hinausgeht. Der Bericht zu den Langfristperspektiven legt im Kernteil dar, wie sich die heute absehbare Alterung langfristig auf die öffentlichen Haushalte der Schweiz auswirkt. Basierend auf einer Pilotstudie werden zudem zum ersten Mal in einer ergänzenden Analyse die Auswirkungen von Klimaschutzmassnahmen zum Erreichen des Netto-Null-Ziels abgeschätzt.
Im April 2024 ist die fünfte Ausgabe der Langfristperspektiven erschienen. Darin wird die langfristige Entwicklung der öffentlichen Finanzen aller Staatsebenen unter verschiedenen Annahmen bis ins Jahr 2060 projiziert. Zwei prägende strukturelle Entwicklungen, die Alterung und der Klimawandel, stehen dabei im Vordergrund. Beide Politikbereiche werden für die öffentlichen Haushalte mittel- bis langfristig grosse Herausforderungen darstellen.
Die Projektionen basieren auf umfangreichen Annahmen und sind entsprechend mit Unsicherheiten verbunden. Unter anderem wird davon ausgegangen, dass die Fiskalregeln von Bund und Kantonen nicht zur Anwendung kommen, da ansonsten die finanziellen Auswirkungen der Alterung und des Klimawandels nicht dargestellt werden könnten.
Demografisch bedingte Zusatzlasten
Unter den getroffenen Annahmen über Demografie und Wirtschaft zeigt die Analyse auf, wie sich die öffentlichen Haushalte aufgrund der Alterung von 2021 bis 2060 entwickeln. Die Bevölkerungsszenarien des Bundesamts für Statistik und die Berechnungen des Bundesamts für Sozialversicherungen bilden wichtige Grundlagen.
Die demografieabhängigen Ausgaben der öffentlichen Haushalte steigen im Basisszenario von 17,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) auf 19,8 Prozent im Jahr 2060 an. Kostentreiber beim Bund und den Sozialversicherungen sind die von der Alterung abhängigen Ausgaben für die AHV. Aufgrund der Pensionierung der geburtenstarken Jahrgänge bis Mitte der 2030er-Jahre manifestiert sich der grösste Anstieg bis 2040. Die von der Demografie abhängigen Ausgaben der Kantone werden bis 2040 vom Gesundheitswesen und dem Bildungsbereich bestimmt. Nach 2040 sind die Bereiche Gesundheit und die Langzeitpflege bestimmend für das Ausgabenwachstum.
Ohne Gegenmassnahmen würde sich in der Folge die Schuldenquote über den Projektionszeitraum bis 2060 von derzeit 27 auf 48 Prozent des BIP erhöhen. Dabei sind die Bundesebene, inklusive Sozialversicherungen, sowie die Kantone stark betroffen.
Finanzpolitischer Handlungsbedarf
Die Fiskallücke zeigt den Handlungsbedarf an, der besteht, um einen Anstieg der Schuldenquote im Jahr 2060 über das Niveau von 2021 zu verhindern. Für die gesamten öffentlichen Haushalte, das heisst für Bund, Sozialversicherungen, Kantone und Gemeinden beträgt die Fiskallücke im Basisszenario 0,7 Prozent des BIP. Dies bedeutet, dass jährliche Einsparungen oder Mehreinnahmen von 0,7 Prozent des BIP nötig wären, um die Schuldenquote auf dem Niveau von 2021 zu stabilisieren. Ein Prozent des BIP entspricht im Basisjahr rund acht Milliarden Franken. Die Fiskallücken von Sozialversicherungen, Kantonen und Gemeinden fallen in etwa gleich hoch aus, während der Bund eine geringere Fiskallücke aufweist. Allerdings ist der Bund auch für die Sozialversicherungen zuständig, so dass insgesamt auf der Bundesebene ein ausgeprägter finanz- und wirtschaftspolitischer Handlungsbedarf besteht.
Schliesslich zeigen die Projektionen, dass ein höheres Wirtschaftswachstum zur Dämpfung der alterungsbedingten Zusatzlasten beiträgt und die Realeinkommen selbst bei vollständiger Finanzierung der zusätzlichen Ausgaben durch die Einnahmenseite weiter zunehmen würden.
Erste quantitative Schätzung zu Auswirkungen von Klimaschutzmassnahmen
Neben der Alterung stellt der Klimawandel eine der grössten langfristigen Herausforderungen für die Schweiz dar. Mit dem Klimaschutz- und Innovationsgesetz hat sich die Schweiz verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden. Die aktuelle Ausgabe der Langfristperspektiven analysiert zum ersten Mal im Rahmen einer Pilotstudie die langfristigen Auswirkungen der Ausweitung der Klimaschutzmassnahmen auf die öffentlichen Haushalte. Die Studie betritt methodisches Neuland, da es international noch keine etablierte Vorgehensweise zur Analyse der langfristigen Auswirkungen des Klimaschutzes auf die öffentlichen Finanzen gibt.
Die unterstellten Klimaschutzmassnahmen wirken sich auf die Einnahmen und Ausgaben von Bund, Kantonen, Gemeinden und Sozialversicherungen auf direkte und indirekte Weise aus. Direkte Auswirkungen beinhalten beispielsweise zurückgehende Einnahmen aus der Mineralölsteuer und der CO2-Abgabe auf Brennstoffen oder öffentliche Ausgaben in das Gebäudeprogramm von Bund und Kantonen. Da Klimaschutzmassnahmen zudem das Wirtschaftswachstum dämpfen, beeinflussen sie auch auf indirekte Weise das Wachstum der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben. Indirekte Auswirkungen betreffen beispielsweise Einnahmen aus der direkten Bundessteuer und der Mehrwertsteuer, oder Ausgaben für die soziale Sicherheit, wie Bundesbeiträge an Sozialwerke. Im Jahr 2021 waren rund 71 Prozent der ordentlichen Einnahmen und 75 Prozent der ordentlichen Ausgaben des Staats auf direkte oder indirekte Weise vom Klimaschutz betroffen. Dabei besonderes betroffen ist der Bund, unter anderem aufgrund der hohen Einkünfte aus der Mineralölsteuer, der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) und der CO2-Abgabe.
Unter den getroffenen Annahmen zeigen die Projektionen bis ins Jahr 2060, dass der Weg zu Netto-Null vor allem den Bund und die Sozialversicherungen finanziell belasten wird. Dies, weil Klimaschutzmassnahmen das Wirtschaftswachstum dämpfen und damit auch das Wachstum der öffentlichen Einnahmen. Die Elektrifizierung des Verkehrssektors führt zudem zu wegfallenden Einnahmen aus der Mineralölsteuer, der LSVA und der Motorfahrzeugsteuer. In der Studie wird jedoch davon ausgegangen, dass diese Einnahmerückgänge durch Ersatzabgaben kompensiert werden können. Ein verstärkter Einsatz von Subventionen in der Klimapolitik erhöht den Druck auf die öffentlichen Finanzen zusätzlich. Im Jahr 2060 würde die Schuldenquote des Gesamtstaats je nach Politikszenario um 8 bis 11 Prozentpunkte höher liegen als ohne Klimaschutzmassnahmen.
Die Kosten des Klimawandels selbst und jene der Anpassungsmassnahmen konnten aufgrund noch unzureichender Datengrundlagen nicht quantifiziert werden. Der Nutzen des Klimaschutzes in Form von vermiedenen klimabedingten Schäden und die damit verbundenen Kosteneinsparungen bleiben daher bisher unberücksichtigt. Die Betrachtung bleibt damit vorerst einseitig auf die Kosten der Klimapolitik beschränkt. Obwohl bisher international und für die Schweiz noch keine belastbaren Schätzungen dazu vorliegen, ist sich die Wissenschaft einig, dass die Kosten des Klimawandels für die öffentlichen Haushalte deutlich höher ausfallen werden als die Kosten der Klimaschutzmassnahmen.
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Letzte Änderung 23.04.2024