Trauerrede für Elisabeth Kopp

Elisabeth Kopp war die erste Bundesrätin in der Geschichte der Schweiz. Im April 2023 ist sie im Alter von 86 Jahren verstorben. Bundesrätin Karin Keller-Sutter würdigt ihre Parteikollegin in ihrer Trauerrede.

Liebe Trauerfamilie
Liebe Trauergemeinde

Es ist schön, so viele Leute versammelt zu sehen, die heute von Elisabeth Kopp Abschied nehmen. Manche trauern heute um die erste Bundesrätin der Schweiz und damit um eine Pionierin. Ihre Familie und Angehörigen trauern um sie als Urgrossmutter, Grossmutter, als Mutter, Schwester und Freundin. Und andere sind vielleicht auch hier, um Elisabeth Kopp heute still um Verzeihung zu bitten.

Ich habe Elisabeth Kopp erst spät persönlich kennengelernt. Die einzigen freisinnigen Frauen zu sein, die je in den Bundesrat gewählt wurden – das hat uns verbunden. Fast 30 Jahre nach ihrem Rücktritt war die Wahl einer Freisinnigen in den Bundesrat auch ein wenig Genugtuung für sie. Wir konnten als freisinnige Frauen gemeinsam ein Kapitel schliessen.

Ich hatte allerdings mehr Glück als sie: Ich hatte nämlich Kolleginnen. Das hätte sie sich damals sehnlichst gewünscht. Es ist das Glück aller später geborenen Frauen, dass wir nicht mehr die Ersten und nicht mehr allein sind. Dass wir nicht mehr stellvertretend für alle Frauen den Beweis antreten müssen, dass wir es auch können. Elisabeth Kopp hatte diese Verantwortung mehrmals auf sich genommen, bis ins höchste politische Amt des Landes. Sie hatte den Willen und die Kraft dazu. Dafür können wir ihr nie dankbar genug sein.

Ich spreche heute aber nicht nur als Frau und als Freisinnige. Ich spreche als Vertreterin des Bundesrats. Als Vertreterin einer Institution, die auch Elisabeth Kopp am Herzen lag. Eine Institution, die uns alle überleben wird. Eine Institution aber auch, die so wenig unfehlbar ist wie ihre Mitglieder. Eine Institution, die sich damals, in jenen dunklen Wochen, von der allgemeinen Stimmung im Land mitreissen liess. Eine Institution, die eines ihrer Mitglieder in den vielleicht schwierigsten Momenten ihres Lebens allein gelassen hat. Auch auf die Frauen und auf ihre Partei konnte sie damals – mit Ausnahmen – nicht zählen. Zur Versöhnung kam es erst viel später.

Alt-Bundesrat Pascal Couchepin wurde 2009 in einem Interview gefragt, welche Ereignisse in der Schweiz ihn beeindruckt hätten. Er antwortete, dass ihm der Rücktritt von Bundesrätin Elisabeth Kopp sehr zu denken gegeben habe. Er sagte: «Von einem Tag auf den andern musste sie 1989 die Regierung verlassen. Aus Gründen, die man damals zum grossen Skandal aufbauschte und die heute als belanglos eingestuft werden.»

Er hatte Recht. Und es sollte uns eine Lehre sein: Was uns heute als grosser Skandal erscheint, könnte sich morgen als belanglos herausstellen. Nicht jeder Fehler ist ein Skandal. Wir sollten das bedenken, bevor wir den Stab über einer Person brechen und sie der gesellschaftlichen Ächtung aussetzen. Es ist die Höchststrafe in unserem Land.

Am 12. Januar 1989, an ihrem letzten Tag als Bundesrätin, zeigte sich die Menschlichkeit in Form des Gemeindepräsidenten und des Gemeindeschreibers von Zumikon. Sie waren nach Bern gefahren, um ihre Bundesrätin und frühere Gemeindepräsidentin nach Hause zu begleiten. Es war Zumikon, es waren ihr Mann und ihre Familie, die Elisabeth Kopp damals aufgefangen haben. Dafür können wir ihnen dankbar sein.

Liebe Trauerfamilie
Liebe Trauergemeinde

Wir dürfen heute einer Bundesrätin gedenken, die nicht nur eine Pionierin war. Sondern eine Bundesrätin, «die unserem Land nach bestem Wissen gedient und ihr Amt kompetent, umsichtig und mit Engagement geführt» hat. Diese Worte stammen nicht von mir. Sie stammen aus dem Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission von November 1989, die selbst anonymen Behauptungen mit verstörender Gründlichkeit nachgegangen war.

Elisabeth Kopp war aber nicht nur kompetent und umsichtig. Sie war in der Sache eine unabhängige, manchmal auch unbequeme Politikerin mit scharfem und liberalem Verstand. Ihr damaliger Amtskollege Jean-Pascal Delamuraz sagte einst über sie: «Elisabeth Kopp avait géré avec détermination, intelligence et subtilité un département délicat, responsable notamment de l'asile à une période difficile.»

Sie setzte sich in ihrer Amtszeit als Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements für die überfällige Revision des Eherechts ein. Gegen Widerstände. Für eine dringend nötige Asylgesetzrevision. Gegen Widerstände. Sie bekämpfte entschieden die sogenannte Überfremdungsinitiative einer rechten Randpartei. Sie initiierte eine Strafnorm gegen Geldwäscherei und stärkte den Kündigungsschutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für Mieterinnen und Mieter. Das gehört zu ihrem Vermächtnis als Bundesrätin. Es ist das, was zählt für das Land.

In Erinnerung bleibt auch ihre Herzlichkeit. Elisabeth Kopp war ein ausgesprochen wohlwollender Mensch. Leider durfte sie selber nicht immer auf dieses Wohlwollen zählen. Aber sie liess sich nicht vernichten. Auch dafür können wir ihr dankbar sein.

Ich drücke der Familie und den Angehörigen im Namen des Bundesrats mein herzlichstes Beileid aus.

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Letzte Änderung 03.05.2023

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