Zum Hauptinhalt springen

RedenVeröffentlicht am 21. Januar 2025

Eröffnungsrede von Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter

World Economic Forum-Jahrestreffen 2025 in Davos

Die Schweizer Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter hält eine Rede während des 55. Jahrestreffens des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos.

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Professor Schwab
Exzellenzen
Meine Damen und Herren

Vielleicht würde es Ihnen hier im winterlichen Davos heiss und kalt, wenn ich Sie aktuell nach guten Gründen für Zuversicht fragen würde. Aber keine Sorge: Sie müssen sich nicht den Kopf zerbrechen, ich werde sie Ihnen gleich selber nennen – oder zumindest diesen einen, ziemlich guten: Das Wohlergehen von Ländern und ihren Bevölkerungen ist nicht einfach dem Zufall überlassen. Es gibt Regeln, Gesetzmässigkeiten, die sich erkennen lassen. Für diese wissenschaftlich gestützten Aussagen haben Daron Acemoglu, Simon Johnson und James Robinson im vergangenen Jahr den Wirtschaftsnobelpreis erhalten.

Sie zeigen, dass Länder, die gemeinschaftsorientierte Institutionen etablieren, die die Rechte ihrer Bürgerinnen und Bürger schützen und fairen Wettbewerb fördern, langfristig prosperieren. Wo Macht und Ressourcen in den Händen einer kleinen Elite konzentriert sind, können breiter Wohlstand und sozialer Frieden nicht gedeihen. In volatilen Zeiten ist eine solche Erkenntnis ein guter Anker, sie ist wegweisend und ein starkes Plädoyer für demokratische und freiheitliche Werte.

Exzellenzen
Meine Damen und Herren

Wegweiser sind derzeit besonders nützlich. Die britische Zeitschrift «The Economist» bezeichnete unsere Zeit einmal treffend als «Ära der vorhersehbaren Unvorhersehbarkeit». Wenn Gewissheiten sich relativieren und man stets gewappnet sein muss für Überraschungen, ist es wichtig, wo immer möglich Verlässlichkeit zu schaffen.

In der Verantwortung ist in erster Linie die Politik. Sie muss für die richtigen Rahmenbedingungen sorgen – sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene. Lassen Sie mich – auch im Sinne der erwähnten Nobelpreisträger – von den Rahmenbedingungen ausgehen, die ein Land primär selber sicherstellen muss. Von der inneren Stärke und damit dem Wohlergehen und der Stabilität der einzelnen Staaten profitiert schliesslich auch die internationale Gemeinschaft. Sie kann letztlich nur so stark sein wie ihre Mitglieder.

Ich möchte als Erstes die institutionelle Dimension erwähnen. Nur ein Staat mit stabilen Institutionen kann den verlässlichen Raum schaffen, in dem sich alle möglichst frei nach ihren Fähigkeiten entfalten können, und er muss diese Freiheit zugleich mit Regeln schützen. Innerhalb dieses sicheren Rahmens kann auch die Wirtschaft Wohlstand generieren.

Zweitens: Die Wettbewerbsfähigkeit, im Innern, aber auch mit der Welt. Ohne Wettbewerb keine Innovation, ohne Innovation kein Fortschritt. Denken Sie an den Klimawandel – er wird ohne technologischen Fortschritt nicht zu meistern sein. Damit die besten Ideen allen Menschen dienen können, braucht es aber offene Produktions- und Warenmärkte. Und diese funktionieren nur, wenn wir für faire, transparente Regeln sorgen. Der freie Austausch von Waren und Dienstleistungen hat die Armut in vielen Teilen der Welt verringert und die Menschheit insgesamt wohlhabender gemacht. Es wäre falsch, das zu vergessen. Es gibt natürlich Verbesserungspotenzial. Viele Menschen fühlen sich in der globalisierten Welt vergessen. Das hat auch Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der nationalen und internationalen Institutionen. Das ist ein anderer, aber nicht ausschliesslich ökonomischer Grund, weshalb sich die Schweiz weiterhin für einen offenen und geregelten Wirtschaftsaustausch einsetzen wird.

Als dritten Punkt nenne ich die fiskalische Stärke. Die Bedeutung gesunder Staatsfinanzen ist gerade in Zeiten der Instabilität unermesslich. Sie machen den Staat stark und resilient für Krisen. Sie ermöglichen es ihm nicht nur, in die Bildung und in die Infrastruktur zu investieren, sondern auch in die Sicherheit. In die soziale Sicherheit, aber – und gerade in Zeiten wie diesen – natürlich auch in die militärische Sicherheit. Ein Staat ist nur glaubwürdig und souverän, wenn er über ausreichende Mittel verfügt und seine Kernaufgabe, die Sicherheit, gewährleisten kann. Zugleich ist staatliche Handlungsfähigkeit auch das beste Rezept gegen populistische Tendenzen.

Ich habe eingangs gesagt, dass die Konzentration von Macht und Ressourcen in den Händen einer nur kleinen Elite breiten Wohlstand und sozialen Frieden verhindern kann. Ich möchte dem hinzufügen, dass Gleiches auch gilt, wenn die Politik das Geld der arbeitenden Bevölkerung zu grosszügig und ohne Bezug zu einer Leistung verschwendet. Oder wenn sie auf Pump und damit auf Kosten der künftigen Generationen lebt. Ich bin ja sicher nicht die Einzige im Raum, die sich über die sehr hohe und steigende Verschuldung vieler Staaten Sorgen macht. Sie ist nicht nur ein Risiko für diese Staaten, sondern auch eine Gefahr für die internationale Finanzmarktstabilität.

Als Finanzministerin habe ich mich mit diesem Themenkreis in den vergangenen Jahren intensiv beschäftigt. Es gibt keinen globalisierteren Markt als den Finanzmarkt. Finanzmarktstabilität kann daher nur multilateral erreicht werden. Beim Untergang der Credit Suisse hat die Schweiz verhindern können, dass aus dem Vertrauensverlust einer einzigen Bank eine internationale Finanzkrise erwächst. Die Schweiz konnte auch darum handeln, weil sie gefestigte Institutionen hat und weil sie finanziell stark ist und für hohe Summen garantieren konnte. Doch es war knapp und ein stärkeres internationales Regelwerk scheint mir unabdingbar.

Exzellenzen
Meine Damen und Herren

Die Schweiz ist gewillt, ihre Hausaufgaben zu machen und damit ihre innere Stärke und Souveränität zu erhalten. Das erlaubt es ihr auch, sich auf internationaler Ebene zu engagieren und sich solidarisch für globale Interessen einzusetzen. Damit diese Solidarität spielen kann, brauchen wir internationale Vereinbarungen, die eingehalten werden. Die Schweiz engagiert sich in diesem Sinne auch langfristig für einen dauerhaften und gerechten Frieden in der Ukraine und für den Wiederaufbau des Landes. Was den Nahen Osten betrifft, begrüsst die Schweiz die Waffenruhe im Gazastreifen und würdigt in diesem Zusammenhang die Verhandlungsbemühungen der USA, Ägyptens und Katars.

Aber nicht nur die Politik, auch die Wirtschaft muss Verantwortung übernehmen - für sich selber, für die Ausbildung, für die Umwelt, für die Gesellschaft. Da gibt es, ich sage es diplomatisch, noch Luft nach oben. Seit einigen Jahren kann man jedenfalls beobachten, wie auch die Wirtschaft vermehrt nach Unterstützung des Staates ruft. Die Pandemie hat diese Tendenz verstärkt. Auch Lohnexzesse untergraben das Vertrauen in die Wirtschaft. Das grosse soziale und ökologische Engagement so vieler Unternehmen vom Handwerksbetrieb bis zum Weltkonzern droht ob solcher Fehlleistungen vergessen zu gehen. Meine Bitte an Sie: Lassen Sie das Unternehmertum wieder leuchten. Im Gegenzug verspreche ich Ihnen das Engagement der Schweiz für verlässliche Rahmenbedingungen auf nationaler und internationaler Ebene.

Exzellenzen
Meine Damen und Herren

Es sind keine guten Zeiten für Leute ohne innere Richtung, für Strecken ohne Wegweiser! Davos im Winter ist auch kein guter Ort für Schuhe ohne Profil. Rutschen Sie nicht aus! Und vor allem: Rutschen wir nicht ab!

Merci!

Bundesrätin Karin Keller-Sutter

Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter während der ersten offiziellen Bundesratssitzung des Jahres 2025

Präsidialjahr 2025

Karin Keller-Sutter amtet im Jahr 2025 als Bundespräsidentin.

Bundesrätin Karin Keller-Sutter zu Beginn der Debatte im Nationalrat

Biografie

Bundesrätin Karin Keller-Sutter ist seit Januar 2023 Vorsteherin des Eidgenössischen Finanzdepartments EFD und ist seit 2019 im Bundesrat. Zuvor war sie Ständerätin des Kanton St. Gallen.

Autogrammkarte

Hier können Sie eine Autogrammkarte der Bundespräsidentin bestellen.

Bundesrätin Karin Keller-Sutter diskutiert während einer Podiumsdiskussion mit Journalist Sebastian Ramspeck,

Interviews und Beiträge

Eine Auswahl an Interviews von Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter.

Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter spricht an der Fruehjahrssession der Eidgenössischen Räte

Reden

Reden von Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter im Wortlaut.