Neujahrsempfang für das diplomatische Corps
Ansprache von Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter

Herr Nuntius
Herr Bundesrat
Frau Nationalratspräsidentin
Herr Ständeratspräsident
Exzellenzen
Meine Damen und Herren
Frau Nationalratspräsidentin, Herr Ständeratspräsident, ich danke Ihnen, dass Sie uns diesen Empfang einmal mehr im Parlamentsgebäude durchführen lassen.
Herr Nuntius, vielen Dank für Ihre Worte und die Neujahrswünsche, die Sie uns als Doyen des Diplomatischen Corps überbracht haben.
Und Ihnen allen, Exzellenzen, danke ich für Ihre heutige Anwesenheit und Ihren Einsatz für die guten Beziehungen zwischen Ihrem Herkunftsland und der Schweiz.
Der Anfang eines neuen Jahres ist ein guter Moment, sich in Zuversicht zu üben. Leicht fällt das angesichts der Weltlage nicht. Was sagt die KI, wenn Sie sie fragen, wo sie Gründe für Zuversicht findet? Richtig: In der Entwicklung der KI.
Wenn Sie mich fragen, dann sage ich Ihnen:
Erstens, in der Überzeugung, dass wir die Möglichkeit haben, durch unser Entscheiden und Handeln zum Wohlstand und zum Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen und damit auch zum sozialen Frieden beizutragen. Und zweitens, in der Überzeugung, dass Menschen – allen Unkenrufen zum Trotz – nach Freiheit und demokratischer Mitsprache streben. Ich komme darauf zurück.
Exzellenzen
Meine Damen und Herren
Wir erleben seit mehreren Jahren mit Krisen und Kriegen die Rückkehr der Unsicherheit. Selbst in einem stabilen, wohlhabenden Land wie der Schweiz machen sich die erhöhte globale Volatilität bemerkbar, die zunehmenden internationalen Konflikte, auch der wachsende wirtschaftliche Protektionismus.
Viele aktuelle Konflikte gehen mit zivilisatorischen Rückschritten einher, bewährte Regeln werden ausser Kraft gesetzt, die internationale Ordnung wankt. Wir brauchen einen gerechten, dauerhaften Frieden in der Ukraine, eine Zweistaatenlösung im Nahen Osten und ganz grundsätzlich wieder Respekt vor dem Völkerrecht und den Menschenrechten.
Das neue Jahr steht bekanntlich im Zeichen der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und damit an den Holocaust, diesem absoluten Bruch mit der Zivilisation. Heute erleben wir, wie der Antisemitismus wieder sichtbarer wird. Der Gedenkanlass Ende Monat zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 80 Jahren wird eine Gelegenheit sein, dieser Entwicklung vehement entgegenzutreten.
Das Ende des zweiten Weltkriegs war auch der Anfang der multilateralen Ordnung, die in den letzten 80 Jahren wesentlich zu einer Befriedung von Konflikten, zum Schutz der Menschenrechte und zur Mehrung des Wohlstands beigetragen hat. Die Schweiz steht für diese Werte konsequent ein.
Exzellenzen
Meine Damen und Herren
Als Antwort auf die Krisen sind heute vielerorts wieder autoritäre und protektionistische Strömungen im Aufwind. Verschlimmbessern ist das Wort, das sich aufdrängt. Dabei sollte, wer in einer schwierigen Lage ist, ganz zuerst ein paar Dinge bleiben lassen. Zum Beispiel das Kind mit dem Bade ausschütten, wie es in mehreren europäischen Sprachen heisst. Oder im chinesischen Kulturkreis: Aufhören zu essen, aus Angst vor dem Ersticken.
Demokratische und liberale Werte über Bord zu werfen, wäre die falsche Reaktion auf die Herausforderungen der Gegenwart. Es sind Werte, an denen sich die Schweiz seit der Gründung des modernen Bundesstaates im Jahr 1848 orientiert. An dem festzuhalten, was Freiheit und Wohlstand bringt, auch wenn der kurzfristige Trend in eine andere Richtung gehen mag, ist die wichtigste Lehre aus der Geschichte. Als ersten Schwerpunkt werde ich in meinem Präsidialjahr daher die Vorzüge der freiheitlich-demokratischen Idee bekräftigen.
Es bleibt aber bei einer Idee, wenn sie nicht Stabilität und Wohlstand hervorbringen kann. Damit komme ich zu meinem zweiten Schwerpunkt; ich sehe ihn bei der geopolitischen Stabilität und der wirtschaftlichen Sicherheit. Die Schweiz wird sich nach ihrem Einsitz im UNO-Sicherheitsrat auch weiterhin stark für eine wirksame internationale Zusammenarbeit einsetzen - sowohl in multilateralen Gremien als auch in bilateralen Beziehungen mit verschiedenen Staaten und Staatengruppen. Als Finanzministerin habe ich besonders auch die Stabilität des globalen Finanzmarktes im Auge, die nur multilateral erreicht werden kann. Die sehr hohe Verschuldung vieler Länder erhöht die Risiken für Verwerfungen an den Finanzmärkten zusätzlich.
Neben der Kontinuität der Werte und dem Engagement für geopolitische Stabilität und wirtschaftliche Sicherheit liegt ein dritter Schwerpunkt nahe: Die Pflege der bilateralen Beziehungen. Für die Schweiz bedeutet das insbesondere auch die Pflege der Beziehungen zur Europäischen Union, unserer wichtigsten Handelspartnerin. Wir schauen auch nach Washington: Die USA sind der zweitwichtigste Handelspartner der Schweiz und wichtigste Exportdestination. Und eine neue US-Regierung hat natürlich immer Auswirkungen auf die ganze Welt.
Darüber hinaus unterhält die Schweiz mit vielen Ländern enge und wachsende Beziehungen. Und mit allen Staaten will mein Land auf der Basis seiner Werte und Interessen an Rahmenbedingungen arbeiten, die es den Menschen erlauben, zuversichtlich zu sein.
Exzellenzen
Meine Damen und Herren
Mein Land vertraut traditionell auf den Leistungswillen, die Innovationskraft und den Gemeinsinn seiner Bürgerinnen und Bürger. Diese Eigenschaften sind entscheidend für das gesellschaftliche und das wirtschaftliche Gedeihen eines Landes. Sie können sich aber nur entfalten, wenn man ihnen den nötigen Raum gibt. Weltweit finden sich unter dem Zeichen der Freiheit und der demokratischen Mitsprache die besten Antworten – das ist meine feste Überzeugung.
Im Namen des Bundesrates und der Schweizer Bevölkerung wünsche ich Ihnen ein glückliches neues Jahr. Und auch persönlich möchte ich Ihnen meine Wünsche für Frieden, Sicherheit und Wohlergehen überbringen.
Bundesrätin Karin Keller-Sutter

Präsidialjahr 2025
Karin Keller-Sutter amtet im Jahr 2025 als Bundespräsidentin.

Biografie
Bundesrätin Karin Keller-Sutter ist seit Januar 2023 Vorsteherin des Eidgenössischen Finanzdepartments EFD und ist seit 2019 im Bundesrat. Zuvor war sie Ständerätin des Kanton St. Gallen.

Autogrammkarte
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Interviews und Beiträge
Eine Auswahl an Interviews von Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter.

Reden
Reden von Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter im Wortlaut.



