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RedenVeröffentlicht am 21. Juni 2024

Es gibt zu wenige Frauen, die an der Spitze einer Gemeinde stehen

Rede von Bundesrätin Karin Keller-Sutter an der Bürgermeisterinnenkonferenz Deutschland, Österreich und Schweiz – Schaffhausen, 21. Juni 2024

Karin Keller-Sutter an die Bürgermeisterinnenkonferenz DE-CH-Ost
Die Tagung der Bürgermeisterinnen ist umso wichtiger, da sie Ihrem Engagement Sichtbarkeit gibt und Sie als wertvolle Vorbilder zeigt - als Kommunalpolitikerin, als Leaderin, als Frau in der Politik.
Karin Keller-Sutter, Bundesrätin

Geschätzte Bürgermeisterinnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, werte First Ladies von Deutschland und Österreich, geschätzte Frau Regierungsrätin, geschätzter Herr Ständerat und Präsident des Gemeindeverbands, sehr geehrte Damen und Herren

Ich danke Ihnen herzlich für die Einladung zu Ihrem Anlass.

Sie haben es vielleicht bemerkt: Ich bin bei meiner Begrüssung vom Protokoll abgewichen, und das ganz bewusst. Ich habe nämlich, entgegen der offiziellen Rangordnung, diejenigen an erster Stelle gesetzt, um die es an dieser Tagung geht: Die Bürgermeisterinnen, Gemeindepräsidentinnen, Syndiques und Maires aus der DACH-Region.

Rund 50 Gemeindepräsidentinnen treffen sich hier zum Austausch.

Ihre Funktionen haben viel Gemeinsames – trotz der grossen Unterschiede nicht nur zwischen den politischen Systemen der drei Länder, sondern auch zwischen den Kantonen in der Schweiz.

Drei Punkte möchte ich herausgreifen:

  • Sie führen eine Gemeinde, sind also auf jener staatlichen Ebene tätig, die am nächsten bei den Bürgerinnen und Bürgern ist, die deren Bedürfnisse und Ansprüche am unmittelbarsten spürt.
  • Sie engagieren sich in der lokalen Politik
  • Sie sind als Frauen in der Politik

Was Sie tun, ist alles andere als selbstverständlich. Es wird nämlich auf lokaler Ebene immer schwieriger, Personen für politische Ämter zu finden. Zumindest in der Schweiz ist es so, aber ich gehe davon aus, dass es in Deutschland und Österreich nicht viel anders ist.

Und es gibt immer noch viel zu wenig Frauen, die an der Spitze einer Gemeinde stehen: Rund 16 Prozent sind es in der Schweiz, rund 10 Prozent in Deutschland, in Österreich gar knapp unter 10 Prozent.

Umso wichtiger ist diese Tagung, die Ihrem Engagement Sichtbarkeit gibt und Sie als wertvolle Vorbilder zeigt – als Kommunalpolitikerin, als Leaderin, als Frau in der Politik.

Kommunalpolitik – oder wie wir in der Schweiz sagen: Lokalpolitik – ist die Basis unseres Staatswesens und unserer Demokratie. Gleichzeitig ist sie auch eine Schule der Demokratie.

Wir kennen in der Schweiz den Begriff der Ochsentour – also des politischen Wegs von der Gemeinde- über die Kantons- bis zur Bundespolitik.

Ich selber bin eine klassische Vertreterin dieses Karriereverlaufs. Begonnen habe ich im Stadtparlament von Wil, danach war ich im Kantonsparlament und in der Kantonsregierung, bevor ich auf die nationale Bühne gewechselt habe, zunächst als Ständerätin sieben Jahre im Parlament und nun seit fünfeinhalb Jahren in der Landesregierung.

Die Vorteile der Ochsentour liegen auf der Hand:

  • Man lernt das politische Handwerk von der Pike auf.
  • Wer Gemeindepolitik betrieben hat, bleibt geerdet, weil diese stets konkret und nah bei den Bedürfnissen der Bevölkerung bleibt.
  • Und wichtig gerade für Exekutivämter: Man betreibt nicht primär Parteipolitik, sondern sucht mehrheitsfähige Lösungen für konkrete Probleme.

Gerade in der Schweiz mit ihrem Föderalismus und der direkten Demokratie spielt die Kommunalpolitik eine zentrale Rolle.

In den meisten Kantonen verfügen die Gemeinden über grossen Spielraum in vielen Fragen. Das gibt ihren Exekutiven grosse Gestaltungsmacht, aber ebenso viel Verantwortung. Und das wiederum macht Ihre Arbeit, liebe Gemeindepräsidentinnen, ebenso anspruchsvoll wie interessant.

Ich habe es gesagt: Es gibt noch immer wenig Frauen in dieser Funktion.

Immerhin sind es in der Schweiz etwas mehr als in Deutschland und Österreich, wenn Sie mir diesen Anflug von patriotischem Stolz erlauben. Und dies, obwohl die Schweiz in Sachen Frauenrechte ja eher eine Spätzünderin ist.Sie führte das Frauenstimmrecht 53 Jahre nach Deutschland und Österreich ein, nämlich erst im Jahr 1971.

Danach ging es mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau auch bei uns zum Glück aber etwas schneller vorwärts. 1981 wurde die Gleichberechtigung in der Bundesverfassung verankert. Drei Jahre später zog mit Elisabeth Kopp die erste Frau in den Bundesrat ein. Und heute besetzen Frauen je länger je mehr auch Führungspositionen in Wirtschaft und Politik.

Kurz: Die Gleichberechtigung ist da. Das heisst aber natürlich nicht, dass auch die Gleichstellung im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Alltag automatisch gegeben ist. Darum ist es wichtig, dass Sie Ihr Engagement weiterführen und andere Frauen animieren, es Ihnen gleichzutun.

Vorbild sind Sie aber natürlich nicht nur für andere Frauen, sondern für alle Menschen, die sich politisch engagieren wollen.

Wie gesagt: Ihre Arbeit kann sehr spannend und erfüllend sein.

Aber oftmals erhalten Sie wenig Anerkennung dafür. Oder werden, im Gegenteil, heftig kritisiert. Das ist in Ordnung, solange es um die Sache geht. Ärgerlich ist es hingegen, wenn es auf Sie als Frauen zielt. Und insbesondere in kleinen Gemeinden sind politische Ämter meist Nebenämter mit bescheidener Entschädigung.

Dazu kommen gesellschaftliche Veränderungen: Die Menschen sind mobiler geworden, sie sind weniger verwurzelt in ihren Wohnorten, sie haben ein schier unbegrenztes Angebot an Freizeitaktivitäten.

All dies führt wohl in der Summe dazu, dass sich immer weniger Menschen für politische Ämter zur Verfügung stellen wollen. Umso mehr sind wir Ihnen, liebe Gemeindepräsidentinnen, zu Dank verpflichtet, dass Sie sich mit grossem Engagement um die Basis und die Schule unserer Demokratie kümmern.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und stehe Ihnen nun für die Diskussion und für Ihre Fragen zur Verfügung.